Erziehungsalltag

Gestern hatte ich zwischen meiner letzten beruflichen und meiner ersten ehrenamtlichen Sitzung am Abend eine Stunde Zeit für das Kind. Wir hätten dringend Hausaufgaben und Essen machen sollen. Statt dessen führten wir eine heftige Wertediskussion.
Ausgangslage: Ich gelte als stur, was bewegte Bilder angeht. Das Kind darf Filme und Games nur gemäss (schweizerischer) Altersbeschränkung oder vorheriger Prüfung durch Elternteil. Dafür darf es alle Bücher und alle Musik und ziemlich viel Internet. Ich mische mich lediglich kältetechnisch in die Mode ein und halte keine Predigten über Handyrechnungen oder Computerzeiten, denn das regeln wir im Moment noch elektronisch. Hingegen dulde ich keine Kids in Tarnkleidung in meiner Wohnung und konfisziere alle Handys in meiner Nähe, die für Filmchen benutzt werden, welche nicht meinen Moralvorstellungen entsprechen.
Die Diskussion war sehr anregend, zuerst war Angriff (gegenseitig), danach kamen die Überzeugungsversuche und dann das Verpfänden: „Ich höre diese Musik nicht mehr, die du ungesund findest zum Einschlafen, dafür darf ich dieses Game spielen.“ Wie gesagt, wir diskutierten, zu Verhandlungen kam es jedoch nicht. Ich gebe mässig Regeln vor und die, die ich habe, verteidige ich ausgesprochen intolerant. Aber mir ist klar, dass ein Verbot keine gewonnene Debatte ist und mir blieb ein schales Gefühl, als ich das Kind mit Abendessen-Auftrag zurück liess und an die Vereinssitzung raste (bei der es übrigens mit der Wertediskussion gerade weiterging. Hallenbadbenutzung durch Musliminnen war das Thema, aber das ist eine andere Geschichte).
Heute dann ging es dem Kind um die Berechtigung, demnächst „Once Upon a Time in the West“ (ab 16) zu schauen. Ich neigte zum Verbot, der Vater zur Erlaubnis, weil wir den Film beide kennen. Wir entschlossen uns also, Anfang und Ursprung der Geschichte zu erzählen. Remember? Eine Familie wird überfallen, alle getötet, vom Anführer dann sogar das kleinste Kind. Der Ursprung der Handlung kommt im Film als Rückblende: Vom selben Anführer wurde ein grosser Bruder dem kleinen Bruder gefesselt und mit der Schlinge um den Hals auf die Schultern gestellt. Der Grosse lebte nur so lange, wie der Kleine Kraft hatte.
Das Kind hörte zu. „Der kleine Bruder ist die Hauptfigur und er wird alle rächen, wenn er gross ist.“ Das sei eben ein sehr guter Film.

3 Gedanken zu „Erziehungsalltag“

  1. eckhm, aus sicherer entfernung wage ich einen kleinen einwand: die phantasie ist auch nicht ohne, auch vor 16. und offenbar finden erwachsene gewisse darstellungen nur deshalb schlimmer, weil sie sie an bereits gemachte eigene erfahrungen knüpfen. ergo: eigentlich wäre ich dagegen, dass das kind den schaut, andererseits glaube ich, dass es ggf. schadlos davon kommt, gerade weil es sich/ihr euch intensiv damit befasst habt.

  2. Ich würde, bei soviel Vor- und Nachbereitung, eher zum Erlauben neigen (zumal das Kind den Film sowieso schon begriffen hat) – ich halte mich nicht an die offiziellen Altersfreigaben, sondern entscheide nach vorgängiger Visionierung. Ein wichtiges Kriterium ist die Entfernung zur realen Welt, das war das K.O. für James Bond, und das O.K. für Star Wars und Fluch der Karibik.
    Wir haben z.B. „high noon“ im Familienverband geschaut, auch der 6jährige hat ihn verstanden und verkraftet (die Gespräche über den Film dauerten allerdings alles in allem ein Mehrfaches der Filmlänge).
    lg, Katia

  3. Ihr Lieben. Danke für das Mitdenken. Erlauben ist wohl in Ordnung.
    Dazu leben wir ja ohnhin auf keiner Insel, das Kind könnte überall alles sehen und kennt alle Brutalogames vom Zuschauen. In der Familie bin ich die mit dem hässlichsten Sound. Bilder sind einfach schonungsloser, der eigene Filter funktioniert bei mir weniger als bei Büchern oder Musiktexten, deswegen bin ich immer so skeptisch. Ich möchte das Kind nicht in Watte packen, mitnichten! Aber eben auch nicht so abstumpfen lassen, wie ich das bei vielen Menschen beobachte.

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