9/11 mit Abschiedsliedern

Ich führe zu viele Jahrestage in meinem Kalender und überlege zu oft, was man zu welchem thematisieren könnte. Das liegt am Beruf, jedenfalls an der Art Buchhandel, wie ich sie mal gelernt habe (vor Internet und Totalglobal). Es war damals relevant für Umsatz und Ruf, ob eine Buchhändlerin die an dem Tag verlangten Titel bereit hatte und das Schaufenster mit den dann erscheinenden Presseartikel korrespondierte.
9/11 ist ja für die meisten hier Mitlesenden mit vielen Erinnerungen verbunden. Ich habe beispielsweise bis heute einen Ordner mit Favoriten, den ich mir dazumal für Recherchen und Nachrichten zum Thema angelegt hatte. Angehende Buchhändlerinnen kennen 9/11 nur vom Hörensagen – die Jüngsten von ihnen kamen dann gerade erst zur Welt. Für sie sind Krieg im nahen Osten und Islamdebatte keine Entwicklung, sondern ein Dauerzustand. Und punkto Terroranschläge sind ihnen die neusten in Europa zeitlich und geografisch näher. Bücher zum Thema, die sich wirklich verkaufen, betreffen den IS und die Menschen, die ihm folgen.
Dieses Wochenende voll mit Quartierfesten, einem autofreien Sonntag und vielen fröhlichen Menschen auf der Strasse habe ich oft an den Tag vor 15 Jahren in New York gedacht. Wie viele Seiten haben wir alle, die wir damals schon lebten, über diesen Anschlag gelesen, wie viele fallende Türme und Menschen gesehen? Wie oft über Ursache und Wirkung debattiert? Wenn ich nur hier vom Notebook aus kurz den Blick hebe, fällt er genau auf Ahmed Rashids „Taliban“. Ich frage mich: Wäre das heute auch noch so? Das Verfalldatum von Nachrichten erscheint mir inzwischen so kurz und Medienleute von heute werden anderen Bedürfnissen gerecht als solchen nach umfassenden Recherchen. Nach dem furchtbaren Erdbeben in Italien bekamen wir stündlich die Opferzahlen auf den Bildschirm geliefert aber am Ende musste ich selber herausfinden, ob alle geborgen werden konnten oder immer noch Menschen vermisst sind.
Back to New York: Das Beste und bis heute Passendste zum Jahrestag habe ich bei Jon Carroll vom San Francisco Chronicle (seit 2015 pensioniert) gelesen. Er schrieb am 11. September 2002: The Ax Falls, And It Falls Again.
And back to Italy: Die Musik der Grikos, die samstags am Strassenfest gespielt wurde, passte gut. Sie hilft, mit der Unsicherheit zu leben.
Andra Mou Pei, melancholisch.
Kalinifta, fröhlicher, als man zuerst meinen könnte.
Pizzica Pizzica

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