Rührung bei Lehrern

Dies ist unsere letzte Schulwoche vor Weihnachten. Die angehenden Buchhändlerinnen und Buchhändler haben zwei Wochen früher schulfrei als alle anderen, weil sie in den Buchhandlungen gebraucht werden. Ich mache zu dieser Zeit nicht ganz „courant normal“, manchen Klassen spiele ich ein Lied vor, anderen verteile einen passenen Zeitungsartikel und etwas Schokolade. Die anderen Lehrerinnen und Lehrer tun Ähnliches.
Mein Kollege in Deutsch liest zum Abschluss ein Weihnachtsgedicht. Vor der letzten Zeile von Brechts „Die gute Nacht“ macht er eine kleine Pause, weil er so gerührt ist. Auch ich muss kurz schlucken, als mir eine Schülerin mir selbst Gebackenes bringt. In solchen Momenten schätze ich mich wirklich glücklich, Lehrerin zu sein.

***
Die gute Nacht
Der Tag, vor dem der grosse Christ
Zur Welt geboren worden ist
War hart und wüst und ohne Vernunft.
Seine Eltern, ohne Unterkunft
Fürchteten sich vor seiner Geburt
Die gegen Abend erwartet wurd.
Denn seine Geburt fiel in die kalte Zeit.
Aber sie verlief zur Zufriedenheit.
Der Stall, den sie doch noch gefunden hatten
War warm und mit Moos zwischen seinen Latten
Und mit Kreide war auf die Tür gemalt
Dass der Stall bewohnt war und bezahlt.
So wurde es doch noch eine gute Nacht
Auch das Heu war wärmer, als sie gedacht.
Ochs und Esel waren dabei
Damit alles in der Ordnung sei.
Eine Krippe gab einen kleinen Tisch
Und der Hausknecht brachte ihnen heimlich einen Fisch.
(Denn es musste bei der Geburt des grossen Christ
Alles heimlich gehen und mit List.)
Doch der Fisch war ausgezeichnet und reichte durchaus
Und Maria lachte ihren Mann wegen seiner Besorgnis aus
Denn am Abend legte sich sogar der kalte Wind
Und war nicht mehr so kalt, wie die Winde sonst sind.
Aber bei der Nacht war er fast wie ein Föhn.
Und der Stall war warm und das Kind war sehr schön.
Und es fehlte schon fast gar nichts mehr
Da kamen auch noch die Dreikönig daher!
Maria und Joseph waren zufrieden sehr.
Sie legten sich sehr zufrieden zum Ruhn
Mehr konnte die Welt für den Christ nicht tun.
Berthold Brecht
***
Geschenkte Güezi

4 Gedanken zu „Rührung bei Lehrern“

  1. genau solche momente und zwischenmenschliche situationen muntern auch mich immer wieder völlig coachlos auf!
    genau so gibt es die anderen geschehnisse, wo ich mir sage, nie wieder ein schulhaus betreten zu wollen…
    dir gute zeiten!
    übrigens war ich heute in der nächsten größeren stadt- mainz- und alle buchhandlungen waren SO voll wie ich sie noch nie erlebt hatte.
    gruß von sonia

  2. Danke, Sonia, ich wünsche auch dir viele gute Erlebnisse in der Adventszeit-Schule!
    Ich denke, es geht vielen Menschen, die hauptsächlich mit Menschen arbeiten so, dass sie mal himmelhoch jauchzen dann wieder zu Tode betrübt sind…
    Aber die besten Lehrer, die ich selber hatte und die besten, die ich kenne, sehen in aller Regel das halbvolle Glas. Das ist wohl schon eine sehr gute Voraussetzung für den Beruf.

  3. genau- so sind und denken sie, die besten!
    unbedingte voraussetzung ist auch, dass man die kinder und jugendlichen liebt- sonst geht es nicht oder es geht schief…ich kenne lehrerinnen, die schmeißen mit ihrem schlüsselbund in kindergesichter und hassen sie. die gehen nur unterrichten, weil sie ihr ferienhaus auf lanzarote behalten wollen oder so ähnlich….bähh.
    gruß von sonia

  4. Du sprichst etwas an, was mir im Schulwesen zu sehr tabuisiert wird. Es gibt sehr viele gute Lehrpersonen, aber es gibt auch einige, die Arbeiten nicht (mehr?) für die Lernenden, sondern für den Status quo (Ferienhaus od. Segelbot oder teures Hobby). Da die Personalentwicklung (oder eher nicht-Entwicklung) in Schulhäusern sowieso höchstens ein Randthema ist, wartet man ohne viel zu sagen deren Pension ab. In Berufsfachschulen können „es-sind-ja-nur-noch-drei-Jahre-bis-zur-Pensionierung“ problemlos 900 schlecht unterrichtete Azubis bedeuten. Aber das vorzurechnen gilt i.d.R. als kleinlich.

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