Physical and digital sales

Gestern war ich an einer Tagung. „Digitalisierung im Buchhandel“. Es ging da um Begrifflichkeiten, Facts und Prognosen.
Ich hatte mir selber versprochen, nach dem Anlass wenigstens ein paar Einschätzungen anderer zum Besten geben zu können. Ich werde ja häufig gefragt, was ich von Kindle und Co. halte. Nur ist Digitalisierung leider keine Konstante im Koordinatensystem meiner Meinung und als Lehrerin bin ich sowieso froh um fremde Zitate (anstatt persönliches Glatteis).
Ich war erleichtert zu erfahren, auf welche Begriffe wir uns in der Branche geeinigt haben (was ja nichts heissen will, weil die Mehrheit immer alles ändern kann, vgl. Deppenapostroph). Terminologie für Messegespräche:

  • E-Content ist elektronisch verfügbarer Inhalt ohne besondere Form.
  • E-Book ist ein elektronisch verfügbarer Inhalt, den es auch als gedrucktes Buch gibt.
  • E-Publishing ist das Verlegen elektronischer Inhalte (egal, ob online oder offline)
  • Was die Presse häufig „E-Book“ nennt, heisst bei uns im Buchhandel also „Lesegerät“. Noch besser ist’s, die Marke zu nennen, weil Sony Reader, Kindle, iLiad und CyBook verschiedene Stärken haben. Welche, probieren wir gerade aus (Sony Reader und Kindle erst in Miniportionen, Auslieferung hier frühstens auf die Buchmesse, wenige Exemplare von US-Aufenthaltern).

    Besonders aufschlussreich fand ich auch den Vergleich mit der Musikbranche von Andy Renggli (Media Control Schweiz, welche unsere Bestseller erheben). Ich lerne nämlich gern aus anderer Leute Fehler und fasse in fünf Punkten zusammen, was in meinem Notizbuch mehrere Seiten einnimmt:

  • Die Fortschritte in der Übertragungskapazität verkannt
  • Die Fortschritte in der Speicherkapazität ignoriert
  • Ein Format (MP3) bekämpft; Kunden und Medien aufgebracht
  • Der Kundschaft keine Möglichkeit für legale Downloads angeboten
  • Die Beteiligungen in den Verträgen mit den Urhebern nicht geregelt
  • Die ersten beiden Punkte hätte man vielleicht irgendwie ausbügeln können, wären die folgenden nicht zum Selbstläufer geworden. Das Digital Rights Management (DRM) war für die Musikindustrie brutale Fleissarbeit: mit jedem Interpreten entweder einen neuen oder noch einen zweiten Vertrag für die Downloads machen.
    Heute blickt die Musikbranche auf ca. 45% Verluste seit dem Jahr 2000 zurück, grössere Städte haben höchstens noch vereinzelte Musikläden, der Rest ist weg. Wenn man den Musikumsatz der gleichen Jahre unabhängig von Format und Legalität beurteilt, erlebte sie in dieser Zeit eine Boom wie nie zuvor. Heute ist der legale Download ihr grösster Wachstumsmarkt.

    Ein Gedanke zu „Physical and digital sales“

    1. Bin mir nicht sicher, ob das im 3. Punkt oben enthalten ist: die Musikindustrie hat verkannt, dass Kunden digitale Inhalte kaufen wollen, nicht lizenzieren. Und kaufen heißt, dass sie dann danach damit machen können, was sie wollen. So wie wir früher alle Schallplatten auf Kassetten überspielt haben, um sie im Auto hören zu können, so wollen heute Musikhörer die Musik einmal kaufen, aber dann auf einem beliebigen Ausgabegerät hören können. DRM behindert daher meist die Kundenwünsche.
      Aber es gibt noch einen weiteren Fehler, und das ist die Annahme, dass DRM Piraterie verhindert…
      Die E-Content-Anbieter werden gut daran tun, den Kunden z.B. nicht an ein bestimmtes Lesegerät zu binden, also ein Format für ihren Content zu wählen, das sich dann gut weiter übertragen lässt. Hoffentlich finden sie da noch was besseres als das sehr druckbezogene pdf …

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