Ein Lehr- und Wanderjahr


2020 wird für mich ein lehrreiches Jahr der grossen Veränderungen bleiben. Meine Vorliebe für Transformationsprozesse hat mir viel geholfen: Im Lockdown in der Schule, bei der Stellensuche, beim Wechsel in eine andere Führungsposition und im Umgang mit Verlusten. Das Bild hier steht für die Krise, die ich letztendlich an Weihnachten doch noch hatte. Meine Nichte machte mit ihrem Vater einen Ausflug an den Murtensee, ich bekam diese Bild und noch eines von einem weissen Schwan. Und dann mochte ich grad ein paar Stunden überhaupt nicht(s) mehr.
Wir waren als Familie getrennt und sahen keinen Grund zum Feiern. Meine Mutter hatte gerade ihren Gartenanteil verloren und die wenigen Begegnungen weniger Personen galten der Räumung. Wie schon im Vor- und Vorvorjahr, war mein Sohn sehr stark mit der Pflege ausgelastet, er hatte für sich selber kaum Zeit, ein ZOOM musste reichen. Der Mann und ich sind beide mit Aufgaben betraut, die nicht aufhören, weil hier gerade Feiertage sind. Eine Nichte und ein Neffe befanden sich hintereinander in kantonsärztlich verordneter Quarantäne, eine Riesenherausforderung für die Eltern. Dazu bekamen wir regelmässig persönliche Weihnachtspost für unseren verstorbenen Freund, dessen Postfach zu uns umgeleitet wird und der so viele Bekannte in aller Welt hatte, dass es einfach nicht gelingen will, sie zu informieren. Wir sind nach drei Monaten noch immer daran, diese Gespräche zu führen und Briefe zu schreiben. Das nimmt mich mit.
Aber zu den guten Dingen: Meine Familie, meine Freundinnen und Freunde und ich sind gesund.
Uns ist jeden Tag bewusst, dass wir schon wegen des sicheren Daches über dem Kopf zu dem privilegierten Viertel der Menschen gehören. Wir bekommen viele passende Gelegenheiten, zu teilen und zu spenden. Wir können einander wieder in kleinen Gruppen im realen Leben begegnen. Kurz vor Weihnachten durften der Mann und ich überraschend einen jungen Menschen in der Vollzugsanstalt besuchen, der uns sehr am Herzen liegt. Wir konnten zwar keine Süssigkeiten, aber dafür zwei Hoodies seiner Wahl dort lassen. Alle Covid-Patienten in unserem Umfeld, auch die über 80 Jahre, haben das Virus gut überstanden. Wir mögen unsere Berufe und Ehrenämter samt allen ihren Herausforderungen. Unsere Nichten und unser Neffe gehen gern zur Schule, auch online. Ich weiss jetzt, dass ich in einer Fachzeitschrift Editorials schreiben kann, auf die positive Reaktionen erfolgen. Und ja, ich habe erlebt, dass es wirkt, wenn wir Frauen uns weigern, die einzige im Panel, auf dem Podium oder in der Diskussionsrunde zu sein. Und ich kann nicht nur schöne Abschlussfeiern, sondern auch eine Abdankung organisieren, die den Menschen ein Trost ist. Weder in meinem vorherigen noch in meinem heutigen Team gab es eine Covid19-Ansteckung am Arbeitsplatz oder an einer ehrenamtlichen Versammlung, die ich leitete. Neben der konsequenten Umsetzung der Vorgaben habe ich besonders versucht, die individuellen Bedenken und Bedürfnisse zu berücksichtigen. Ich habe Widersprüche oder Konflikte thematisiert und fast jeden Tag für mich (schriftlich) reflektiert. Dabei ist mir klar geworden, mit was für lösungsorientierten, engagierten Menschen ich zusammenarbeiten durfte und darf. Vielleicht war es auch einfach Glück. Denn im Rückblick ist mir dieses 2020 oft hold gewesen.

2 Gedanken zu „Ein Lehr- und Wanderjahr“

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