Workshops, workshops 2

Ich wollte noch etwas über den Sinn von Workshops schreiben (der Unsinn ergibt sich ja von allein). Worksohps sind sinnvoll, wenn es um neue Projekte geht. Dann, wenn mehrere gleichzeitig eine neue Rolle erfüllen müssen, was in unserem Schulbetrieb häufig der Fall ist. Im Gegensatz zu anderen Schulen haben wir es jährlich mit neuen Lektionentafeln zu tun, weil Berufsbilder geändert oder ganz neue Berufe entwickelt werden. Eine Lektionentafel soweit aufzudröseln, dass der Stundenplaner etwas damit anfangen kann, bedarf meiner Erfahrung nach ungefähr hundert Mannstunden. Davon muss die Hälfte in Workshops geleistet werden, damit die Branchenvertreter (also die „Erfinder“ eines Berufes) und die Vertreter der Berufsfachschule sich abstimmen und sich deren Entscheidungen nicht gegenseitig behindern.
Ich mache ein Beispiel: Die Lektionentafel des neuen Berufes Fachfrau/Fachmann Kundendialog soll in der Berufsfachschule getreu der Verordnung, auf die sich Branche und entsprechendes Bundesamt geeinigt haben, umgesetzt werden. Auf der ersten Zeile dieser Lektionentafel ist zu sehen, dass die Schule zwanzig Lektionen pro Jahr Zeit bekommt, eine Handlungskompetenz mit der Bezeichnung „Arbeitsorganisation und Zusammenarbeit ausgestalten“ zu vermitteln. Was tun? 20 Lektionen bedeuten eine halbe Wochenlektion, ganz genau 22.5 Minuten. Das geht weder für Lernende, noch für Lehrer noch für die Raumzuteiler auf. Wir Schulvertreterinnen überlegen also, ob wir diese Kompetenz in einem einzigen Fach im ersten Lehrjahr zusammenziehen könnten, was aber Branchenvertreterinnen ablehnen, denn sie hatten schliesslich Grund, den Erwerb von „Arbeitsorganisation und Zusammenarbeit“ auf die ganze Lehre zu verteilen. Also diskutieren wir einen Blockkurs. Zwei Blocktage à 10 Lektionen sind lang und für die zwanzig Lektiönchen einen dritten Blocktag einzuschieben scheint ein grosses Opfer an Zeit und Geld. Trotzdem fällen wir den provisorischen Entscheid, die AO und ZA (eher Not als Dünkel führt zu Abkürzungen) in einem Block unterzubringen. Ich beginne also mit einer Exceltabelle, in der regelmässige Schullektionen von Block-Schullektionen getrennt werden, ohne dass die Gesamtlektionenzahl überschritten werden kann. Da es logistisch nicht möglich ist, bereits angestellte und in anderen Berufen unterrichtende Lehrpersonen für Blocktage zu reservieren, entsteht neuer Personalbedarf. Wo suchen, bis wann anstellen, was sind die Kriterien? Zu viel, zu schnell, zu weit abgeschweift. Die Moderation verschiebt das Thema auf den nächsten Workshop.

Ein guter Workshop ist für mich wie das Weben (Überbleibsel aus meinem waldorf’schen Weltbild). Man hat vielleicht schon ein rechtes Stück gewoben, ehe man merkt, dass die aufgezogenen Fäden nicht passen zum Material, das man einzuweben gedenkt. Dann muss man entscheiden, was von beidem man austauscht. Oft muss man mehrmals von vorne beginnen, wieder und wieder Unpassendes ineinanderweben, bis man schliesslich genug Erfahrung hat, um harte Übergänge zu vermeiden und jedes lose Ende schön einzuebnen.
Gingen wir also jetzt weiter, kämen wir in der besagten Lektionentafel für die Fachleute Kundendialog zu vier sehr branchenspezifischen Handlungskompetenzen:
– Kunden gewinnen
– Kunden betreuen
– Kunden binden
– Kunden rückgewinnen
Dafür sind insgesamt 600 Lektionen reserviert. Nun will die Schule von der Branche wissen, wie wichtig es ist, diese Kompetenzen/Fächer in die vier Bereiche zu trennen? Solange die Gesamtlektionenzahl pro Lehrjahr gleich bleibe, könnten die Fächer auch ineinander verwoben werden. Aber Vorsicht! Eine Fremsprache auf Niveau B2 muss innerhalb dieser Fächer erworben werden. Wir spekulieren eine Weile, auf welchem Niveau die Azubis sein werden, die diesen Beruf wählen und für den Beruf gewählt werden. Der Beruf ist neu – wir haben alle keine Ahnung. Wir müssen also mindestens drei Wochenlektionen reservieren. Das sind 120 Lektionen pro Jahr und 360 Lektionen pro Lehre, die wir von den Kunden-Fächern für den Fremdspracheerwerb abzweigen. Fremdsprachen müssen regelmässig wiederholt und daher am regulären Berufsschultag unterrichtet werden. Der darf nur neun Lektionen haben, denn die Azubis reisen von weither an. Von diesem Schultag bleibt nach der Vermittlung der Fremdsprache noch zwei Drittel übrig, alle restlichen Kompetenzen müssen im Blockunterricht vermittelt werden. Diese Erkenntnis bestätigt den provisorischen Entscheid vom Anfang: Je berufskundlicher die Themen, desto Blocktage. Wieder ein Stück gewoben.
So geht das an Workshoptagen zu und her und zu und her – und plötzlich steht die Planung. Die Lehrerinnen und Lehrer wissen nun, was sie in welcher Zeit unterrichten müssten und auch, dass es es nicht immer für alles reichen wird. Einige sind alt eingesessen und didaktisch sehr gebildet, andere kommen direkt aus der Branche und können von da aus dem Vollen schöpfen – sie alle machen sich in der verbleibenden Zeit an die Feinarbeit. Wenn die Azubis dann im August anreisen und am Informationsschalter fragen, wo sie denn nun für diese äh, neue Ausbildung „Kundendialog“ genau hinmüssten, stehen wir Workshopper daneben und staunen, wie schnell unser Papier Wirklichkeit wird.

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