Jack Taylor: (m)eine Neuentdeckung

Der Dezember ist ein harter Monat. Scheiss auf die ganze Festvorbereitung. Wenn man allein ist, foppt sie einen an jeder Ecke. Man schlägt ein altes Buch auf und findet eine Liste von Freunden, denen man einst Karten geschickt hat. Jetzt sind sie alle tot oder verschwunden.
Selbst wenn man (noch) Adressaten hat, selber gesund und nicht besonders einsam ist, kann der Dezember einen hart ankommen. Die klirrende Kälte treibt die Kranken und Süchtigen in die Trams, die Warteräume, die öffentlichen Toiletten, in die Windfänge der Restaurants und Entrées der Schulhäuser und führt einem mehr gesellschaftliche Mängel vor Augen, als man ertragen möchte.
Der Fernseh ist mit Spielsachen für Kinder vollgestopft, die man nie hatte, und jetzt ist es ein bisschen spät dafür, ein bisschen sehr spät. Das Radio spielt Balladen, die einst mit Bedeutung oder gar Hoffnung befrachtet waren.
Aufrufe, sich um Bedürftige zu kümmern oder für sie zu spenden schwirren durch den Äther. Vorangegangen ist ein Jahr demokratischer Lieblosikeit, in dem Menschen mit ein wenig Geld auf Menschen mit wenig Geld gehetzt und Menschen mit dem meisten Geld hofiert wurden. Saisongerechtes Mitleid ist folgerichtig.
Es heisst, das ganze Ausmass der Einsamkeit erschliesse sich erst in der Küche, wenn man eine Einzelmahlzeit bereite. Alles nur Einzelstücke: eine Tasse, ein Besteck, ein Teller und höchstwahrscheinlich auch nur ein einziger lausiger Plan.
Das ist das Besondere der Jack-Taylor-Romane: Man braucht nicht reinzukommen. Man ist von Anfang an drin, kriegt mehr als genug Gelegenheit, sich Gedanken zu machen ums Dasein. Ich habe den zweiten Band zum Geburtstag erhalten, fühlte mich unerklärlicherweise angesprochen von diesem verkoksten, heimatlosen, lesenden Säufer, der widerwillig Fälle löst oder vermurkst. Habe dann den ersten Band sofort nach-gelesen und bin jetzt am dritten, aus dem auch die obige (kursiv geschriebene) Stelle stammt.

Jack-Taylor-Krimis bestehen aus inneren Monologen und Dialogen. Keine Landscapebeschreibung, kein Rückblick auf irische Familiensagas (handelt aber konsequent in und um Galway), keine Erklärungen zu Clans – was wichtig ist, wird gesagt. Und wie! Das Original habe ich nur ganz kurz angelesen, Ken Bruen beherrscht sein Handwerk und Genre. Und in Harry Rowohlts Übersetzung geht bestimmt nichts verloren. Ich war wieder einmal überrascht, dass der so Sachen macht wie einen ziemlich unbekannten Iren für einen heute kaum mehr bekannten Züricher Verlag zu übersetzen. Aber vielleicht arbeite ich ja deswegen immer noch im Buchgewerbe: Weil diese Branche trotz dem Vormarsch der Businessleute aus anderen Berufen immer noch von den Erfolgen trotziger Idealisten lebt.
Kurz: Wer Krimis oder Irland oder unglückliche Detektive mag oder Leute mit diesen Vorlieben beschenkt, der möge an Jack Taylor von Ken Bruen und seinem Nachdichter Harry Rowohlt denken.

4 Gedanken zu „Jack Taylor: (m)eine Neuentdeckung“

  1. Liebe Tanja!
    Danke für diesen Hinweis. Habe mich in der Bibliothek meines Vertrauens glaich mal für den ersten Band vormerken lassen!
    Dir und Deinen Lieben wünsche ich schöne Weihnachtsfeiertage, mit vielen Büchern unter’m Weihnachtsbaum und ausgiebig Muße zum Beieinandersein und vielleicht auch lesen!
    Alles Liebe,
    Liisa

  2. Ach, der Jack…
    Ich liebe Bruens Bücher! Und deswegen bin ich sooo froh, dass nächstes Jahr die weiteren zwei Bände erscheinen! Ja! Im Februar und im April.
    (ich habe die Jack-Romane auch auf meinem Blog rezensiert)
    Frohe Weihnachten, liebe Tanja
    Dorota

  3. … ich habe mich über Weihnachten dem ersten Jack Taylor -Band gewidmet, und es hat mich auch gepackt, und weiss eigentlich auch nicht so recht, warum.

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