Bei den welschen Kollegen

Gestern haben wir in kleiner Delegation die l’Ecole professionnelle commerciale de Lausanne (EPCL) besucht. Das war – abgesehen von der trostlosen Erkenntnis, kaum Frazösisch zu können – eine sehr gute Sache.
Diese kaufmännsiche Berufsfachschule gehört wie unsere zu den grössten der Schweiz, es werden dort 4’000 Azubis unterrichtet. Die angehenden Buchhändlerinnen und Buchhändler reisen aus allen frazösischsprachigen Kantonen an.
Die Kolleginnen und Kollegen an der EPCL waren sehr zuvorkommend. Vieles ist an unseren Schulen ähnlich, aber ebenso vieles ist ganz anders. Und das Andere ist natürlich das Lehrreiche.

  • Ihr Kollegium ist gemessen an der Schülerzahl viel kleiner. (Sie haben höhere Pensen, v.a. die Frauen. Das wäre für mich auch bei uns wünschenswert.)
  • Die letzten ernsthaften Renovationen liegen 30 Jahre zurück. (Bei uns wird schon nächsten Sommer wieder renoviert. Also nie mehr jammern.)
  • Sie benutzen CLAROLINE, die Arbeit damit ist Pflicht, der Support wird durch Lehrer gemacht. (Wir benutzen Moodle, die Arbeit damit ist freiwillig. Ich würde gern auf etwas Sicherheit zugunsten von Unserfreundlichekeit verzichten und fände CLAROLINE, das ich schon ein wenig kenne, eine gute Sache. Die Pflichtbenutzung bei entsprechender Schulung und gutem Support ebenfalls.)
  • Sie investieren ihr Geld und ihre Kraft in die interne Kommunikation. Externe Kommunikation ist nicht standardisiert und wird je nach Bedarf gemacht. (Ich würde gern auch mehr intern investieren, aber nicht unbedingt auf Kosten der externen Kommunikation. Ich glaube, Eltern und Lehrfirmen in der Deutschschweiz haben in der Sache andere, höhere Ansprüche und ich bin häufig froh, einheitliche Unterlagen mit offiziellem Charakter zur Hand zu haben.)
  • Nur die Lehrpersonen führen die Absenzenkontrolle und informieren alle zwei Wochen die Lehrfirma. (Bei uns führen alle drei Seiten – Lehrperson, Lernende, Lehrbetrieb – die Absenzenkontrolle, Differenzen werden als „Unentschuldigte“ im Zeugnis vermerkt. Ich weiss nicht, was besser ist, um dem Grundsatz der Lehre „Schulzeit ist Arbeitszeit“ gerecht zu werden.)
  • Sie haben keine schulinternen Lehrpläne. Sie erstellen ihre Unterrichtspläne direkt aufgrund der Bildungsverordnungen in den verschiedenen Berufen. (Für mich ist schwer vorstellbar, wie wir ohne diese eine gewisse Einheitlichkeit pro Fach wahren könnten, denn Verordnungen lassen – zum Glück – einiges an Spielraum. Aber wenn das Kollegium kleiner ist, ist auch die mündliche Absprache einfacher.)
  • Sie sind durch und durch Schule und Non-Profit-Organisation. (Bei uns gibt es auch Teile, die nicht subventioniert werden, was zu einer Mischform von Schule und Unternehmen führt.)

  • Nachdem wir die Schule gesehen hatten, besuchten wir die drei letzten Buchhandlungen in Lausanne, im vergangenen Jahrzehnt hat sich die Buchhandelslandschaft im Welschland um zwei Drittel reduziert. Es bleiben: FNAC, Payot und Les Yeux Fertiles, die letzte Unabhängige der Stadt. Nun wissen wir: In Lausanne sind die Buchhandels-Azubis ebenso aufgeweckt und Stieg Larssons Millenium-Trilogie läuft auch in Französisch ganz gut.
    Larsson, Milleniumstrilogie

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