Billigausgaben heute

Die Reihen in Zeitschriften- und Zeitungsverlagen boomen, die Preisentwicklung bei Büchern bleibt seit Jahrzehnten weit hinter dem übrigen Warenkorb zurück, im Vergleich zu anderen Produkten aus Deutschland sind die Buchpreise weniger überhöht. Trotzdem beklagen sich die Konsumierenden immer lauter. Politisch und journalistisch wird der Buchpreis seit gut sechs Jahren mit viel Elan skandalisiert.
Ich habe letzte Woche zum Thema „Billige Bücher?“ Gruppenarbeiten im 2. Lehrjahr in Auftrag gegeben. Auch solche, die im weiteren Sinne damit in Zusammenhang stehen, wie: „Was denken Sie, müsste geschehen, damit die Menschen wieder bereit sind, für Bücher einen angemessenen Preis zu bezahlen?“
Wann immer ich Material finde, beginne ich ein Thema bei seinem Ursprung. Dieses Mal war es die Geschichte der ersten deutschen Billigausgabe eines Zeitgenossen. Da ich für die Gruppenarbeiten nur wenige Vorgaben gemacht hatte, war ich nicht besonders zuversichtlich, das Ziel der Sensibilisierung und Meinungsbildung zu erreichen.
Hier will ich einen längst fälligen Einschub machen für Lehrpersonen aus Gymnasien, die freundlicherweise mitlesen:
Die Berufsfachschule macht höchstens einen Viertel der Lebenswelt der Azubis aus. Der Rest spielt sich in der Lehrfirma und im Privatleben ab. Das meiste von der Kraft, die Jugendlichen zur Verfügung steht und der grösste Teil von der Selbständigkeit, die sie anzubieten haben, landet nicht bei uns. Ein zwischen neunstündige Arbeitstage hineingequetschter Berufsschultag ist anders als ein Tag an einer Fünftageschule. Wir tragen viel weniger Verantwortung für den Prüfungserfolg und müssen fast nie mit Eltern verhandeln. Doch Unterrichtsflops sind schwieriger revidierbar und gerade ich als Fachlehrerin bin oft auch der Kritik der Branche ausgesetzt. Weil Lernende aus verschiedensten Firmen von Buchhandelsketten bis Papeterien zu uns kommen, ist der Austausch sehr hilfreich, ich will ihn unbedingt fördern. Die Ergebnisse aus Partner- und Gruppenarbeiten steigen und fallen umso mehr mit der Unterrichtsorganisation. Im schlechtesten Fall führt eine unüberlegte Planung zu regelrechtem Krach, zum Beispiel wenn Lernende aus christlichen Buchhandlungen Harry Potter ablehnen. Ende Einschub.
Dieses Mal lief es mittelmässig. Der Einstieg mit Manns „Buddenbrooks“ wurde interessiert akzeptiert, dafür hatten einige Gruppen kaum Ergebnisse zu präsentieren. Eine Schülerin meinte ganz offen „wir haben das Ziel verfehlt.“ Immerhin hatten sich die meisten eine Meinung machen können, wenn auch eher privat als beruflich.
Ein Team hat mich mit einer prägnanten Analyse überrascht und erfreut. Ihr Auftrag war: „Chancen und Risiken billiger Bücher in Reihen von Zeitungs- und Zeitschriftenverlagen“ und sie kamen zu folgender Erkenntnis:
Chancen

  • Klassiker kommen wieder auf
  • Nicht nur „Leser“ lesen diese Bücher
  • Wenn die Macher mutig sind, können sie auch unbekanntere und anspruchsvollere Autoren in die Reihe „hineinschmuggeln“ und so auf hohem Niveau Leseförderung betreiben
  • Der Bezug zur Zeitung (SZ) oder Zeitschrift (Brigitte) macht den Zugang niederschwellig
  • Der tiefe Preis macht den Zugang niederschwelliger für Neuleser
  • Risiken

  • Leser bekommen ein Missverhältnis zu Preis/Leistung
  • Weil die Druckkosten so günstig und die Ausstattungen einheitlich sind, wird viel zu viel produziert, es entsteht ein extremer Überschuss, was ökologisch schlecht ist
  • Zeitschriftenverlage werden eine bedrohliche Konkurrenz für traditionelle Buchverlage, die in die Entdeckung von Neuheiten viel investieren
  • Neuleser durch Billigreihen starten mit einem beengten Horizont
  • Ein weiterer Schritt zur extremen Kommerzialisierung des Buchmarkts
  • 2 Gedanken zu „Billigausgaben heute“

    1. Gilt Ihre Kritik am Berufsschulsystem denn nicht auch für die Ausbildung des Metzgers, Maurers und des Bürokaufmanns?
      Ich unterstelle Ihrer Kritik ein Plädoyer für das in Deutschland zumindest in weiten Teilen gültige Internatssystem durch die Schulen des Deutschen Buchhandels. Und dem kann ich mich nur anschliessen! 🙂

    2. Danke, Fabian Herbel, wieder ein neues Blog kennen gelernt. Werde gerne mitlesen!
      Eigentlich war es eine Feststellung und eine Information an Nicht-Berufsfachschulleher. Der Wunsch nach mehr Internaten ist aber ein realer, den ich allerdings aus Gründen, die ich hier nicht alle erläutern kann, nicht direkt unterstütze. Die Internats-Berufsfachschulen aller Berufe sind von den Berufsverbänden gemacht (das gilt auch für Frankfurt-Seckbach wenn ich richtig informiert bin. Diese Schule erhebt Unterrichtsgebühren und wird vom Börsenverein getragen). Das kann sinnvoll sein, wenn es in Richtung Kompetenzzentren geht, die sich auch mit Weiterbildung und dem Berufsbild als Ganzes auseinandersetzen.
      Aber flächendeckend ist das bisherige System ohne Unterrichtsgebühren und mit dualer Ausbildung (Lehrfirma – Berufsfachschule) schon richtig.
      Im Zuge der Gesetzesrevision Berufsbildung in der Schweiz geht die Tendenz aber schon in Ihre Richtung: Wir tendieren zu einem Lerndreieck:
      Lehrbetrieb – Berufsfachschule – überbetriebliche Kurse (zentraler, im Blockunerricht, sehr praxisorientiert und von Lehrfirmen und Verbänden gemacht).

    Schreibe einen Kommentar

    Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.