Hinter den Kulissen: Prüfungsvorbereitung

Jedem anerkannten Beruf in der Schweiz liegen eine Bildungsverordnung und ein Bildungsplan zu Grunde, auch dem Buchhandelsberuf. Dem Bildungsplan folgend machen die Berufsfachschulen ihre internen Lehrpläne. Am Ende ist die Prüfung nach Plan und Verordnung – alles ist schlüssig und gut erklärbar, auch neuen Azubis und deren Eltern oder enervierten Kandidaten und deren Berufsbildnern.
Aber bis Prüfungen stattfinden können, sind etliche Schritte nötig, an unserer Schule sind wir gut ein halbes Jahr administrativ und inhaltlich damit beschäftigt. Im Bereich „Handelsobjekte“ (Leitziel 4 des Bildungsplanes) wird beispielsweise mündlich geprüft, was die Kandidatinnen und Kandidaten über die Herstellung von Büchern wissen. Die Fachverantwortliche Buchhandel stellt dafür rechtzeitig, nämlich jetzt, das Material zusammen. Das hat sie schon:

  • Bilderbücher
  • Einen grossen Fotobildband
  • Diverse Landkarten in verschiedener Druck- und Papierqualität und in diversen Massstäben
  • Einige neue, gebundene Bücher
  • Und das ist, wonach wir Fachlehrpersonen bei uns zu Hause noch suchen:

  • Flyer und Postkarten oder Buchzeichen mit nur einer oder zwei Farben
  • Klappenbroschur
  • Mindestens zwei fadengeheftete Bücher, möglichst eins davon als Broschur
  • Gefaltete Printprodukte, darunter eines gerillt
  • Ein gestanztes Buch oder eines mit gestanztem Umschlag
  • Ein Buch mit Leinen oder Ledereinband, ein Halbband
  • Und in der eigenen Bibliothek gibt es halt auch Bücher, die zwar viele Kriterien vereinen, die man aber partout nicht aus der Hand geben will:
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    Professional Bachelor, Professional Master

    Folgender Artikel und die darin geschilderten Fakten sind für Berufsbildungsleute wirklich bemerkenswert. Wer hätte das gedacht!
    „Neue Titel werten die höhere Berufsbildung auf“, heute in „Der Bund“ und im „Tagesanzeiger“. [Entscheid im Nationalrat vom 12.06.14: s.a. sda.]
    Es wäre einerseits eine Anerkennung für uns Leute mit Berufslehre, einen „Professional Bachelor“ oder gar „Porfessional Master“ machen zu können. Andererseits ist es – vor allem für die neuen Generationen – eine Notwendigkeit.

    Schuljahre überspringen

    Ob Gotthelf oder aktuelle Zeitschriften der Erziehungsdirektionen: Egal, was ich über die Schweizer Volksschule lese, sie scheint mir auf das Mittelmass und höchstens noch auf die Schwachen ausgerichtet zu sein.
    Das überrascht nicht weiter, denn überragende Leistungen sind in der Schweiz wenig angesehen und wenn, dann nur bei besonders bescheidenen Persönlichkeiten. Würde Roger Federer nur schon die Frau wechseln oder ab und zu eine Party schmeissen, wäre er wohl noch bewundert, aber nicht mehr respektiert.
    Zurück zur Volksschule: Eltern und Lehrer überlegen es sich deshalb sehr genau, ob sie ein Kind eine Klasse überspringen lassen wollen, wenn es mit dem Schulstoff, ein, zwei Jahre voraus ist. Hat das Kind eine genügend bescheidene Persönlichkeit, um in der neuen Klasse nicht aufzufallen? Wird es beim traditionellen Orientierungslauf in der neuen Altersgruppe das Mittelfeld erreichen? Kann es das Turnsäckli zuziehen, die Schuhe schnell binden, die Veloprüfung bestehen? Kann es stillstitzenstillsitzenstillsitzen? Bei Jungs fragt man sich auch, wie das mit der Rekrutenschule laufen soll, denn da gibt es weissgott nichts zu überspringen. Und was sagen die anderen Mütter, die das Kind von der Spielgruppe kennen, wo es – mit Verlaub – nicht das Zuverlässigste war?
    Eben, so geht das hin und her und am Ende findet man die Langeweile das kleinere Übel. Ich kenne leider nur einen einzigen Fall, wo das Überspringen völlig problemlos gelaufen ist und das übersprungene Jahr die ganze Schullaufbahn hindurch bestehen bleiben konnte. Das war mein Schwiegervater, eines von sechs Pfarrkindern. Da die Lehrerin ihn nicht in der ersten Klasse sah, weil die Kindergärtnerin vermeldet hatte, er könne lesen und schreiben wie ein Zweitklässler, bestellte sie geistesgegenwärtig den Schulinspektor, um das Kind zu beurteilen. Keine Diskussionen mit Eltern oder Kollegium oder dem Kind selber, keine Vorabinformation, keine Fragen.
    Als mein Schwiegervater die dritte Woche in die erste Klasse ging, kam also der angesehene Schulinspektor aus der Region vorbei, nahm ihn zur Seite und liess ihn rechnen. Danach wollte er ihm einen Satz diktieren, um Schrift und Rechtschreibung zu prüfen.
    „Wir haben zu Hause Kaninchen,“ war der Satz des Schulinspektors. „Nein, wir haben zu Hause keine Kaninchen,“ bekam er zur Antwort. „In der Taubstummenanstalt haben sie Kaninchen,“ korrigierte sich der Inspektor, denn das wusste jedes Kind. Mein Schwiegervater schrieb den Satz und der Inspektor wies ihn an: „Ab morgen gehst du zu Frau Hostettler in den Unterricht.“ Die Frau Hostettler war die Zweitklasslehrerin. Gemunkelt wurde im Dorf schon hin und wieder, aber angezweifelt wurde der Entscheid nie, mein Schwiegervater machte seinen Weg und wurde Professor der Chemie.

    Fragen, Antworten, Dank?

    Meine Kollegin Deutschlehrerin und ich haben vereinbart, dass ich Korrespondezbeispiele heraussuche, die zu wünschen übrig lassen. Es geht dabei darum, im Deutschunterricht praxisnah häufige Fehler und deren Wirkung auf den Empfänger anzuschauen. (Völlig anonymisiert oder abgeändert, versteht sich!)
    Ich bekomme ganz unterschiedliche Post: Gesuche, Rückmeldungen und vor allem Fragen zu diesem und jendem von ganz verschiedenen Leuten: Azubis, Ausbilderinnen, Lehrbetrieben, Eltern, Berufsinformationszentren, nationalen und kantonalen Ämtern und deren ausgelagerten Stellen.
    Wie sicher alle Mitlesenden, musste ich nicht lange nach Mängeln suchen, wir alle machen Fehler und ganz besonders in der Kommunikation. Dennoch ist mir aufgefallen, dass Fragen beantworten ein undankbares Geschäft ist. Je komplizierter oder gar depalzierter die Frage, desto weniger Dank für die Antwort. Also wenn mir eine Lehrperson eine Frage stellt, deren Antwort zu meinem Job gehört, bedankt sie sich extra. Wenn mich aber eine Ehemalige etwas fragt, das ich selber sogar noch recherechieren muss, höre ich auf meine Antwort hin nichts mehr.
    Vielleicht ist das auch ganz normal, wie mein Schwager kosovarischer Herkunft zu erklären pflegt: Je näher man sich steht, desto unkomplizerter soll man sich verhalten. Danken und Bitten ist reine Förmlichkeit für Leute, die einander anders nicht verstehen.

    Gefragt zu werden

    finde ich eine gute Sache. Aber offenbar gelingt es mir nicht mehr, das zu vermitteln. Jedenfalls entschuldigen sich die meisten dafür, dass sie mich etwas fragen, und das ist blöd. Ich nehme an, dass es damit zu tun hat, dass ich mich recht konsequent zur Wehr gesetzt hatte. Allerdings nur in zwei Fällen:

  • Ich bin keine Suchmaschine. Ich erlaube mir inzwischen, die, die meine E-Mailadresse damit verwechseln darauf aufmerksam zu machen, indem ich URLs versende oder die Frage einen Moment ruhen lasse in der Annahme, dass doch noch eine Website konsultiert werde.
  • In meinen Unterrichtsstunden bin ich Lehrerin. Ich beantworte Fragen zu meinem Fach. Alles andere gehört in meinen Bürobereich.
  • Aber sonst? Ich antworte schnell und – gemäss zig Umfrageergebnissen – klar und verständlich. Ich antworte crossmedial: mündlich sowieso, auf SMS, auf Mails, auf Nachrichten via Social Networks (ausser Facebook), auf Fragen in Foren und Bemerkungen in Kommentaren, auf Zettel. Das fördert das Erreichen der Lehr- und Lernziele und gehört zu meinem Job, den ich sehr gern mache.
    Anfrage aus meinem Bürobriefkasten - einige Jahre alt

    Das letzte Reform-Kapitel

    Wieder einmal haben die Fachverantwortliche und ich eine Subsite für unsere Lernenden und Lehrfirmen fertig gestellt: Qualifikationsverfahren. Sieht nicht nach viel aus, ist es aber. Denn die die neue Abschlussprüfung muss so gut wie fertig geplant sein, um so etwas zu machen. Und Abschlussprüfungen sind nichts, womit man in die Öffentlichkeit kann, ehe sie nicht durchdacht, in Teile zerlegt, getestet und a gogo durchgerechnet sind. Zudem sind wir die erste Abteilung der ganzen grossen Schule, die ein Qualifikationsverfahren auf Grund des neuen Berufsbildungsgesetzes durchführen. Früher oder später kommen zwar alle Branchen dran, aber jetzt schaut man einmal uns auf die Finger.
    Nun ist das glücklicherweise nicht die erste Reform in unserem Berufsschulleben und wird auch nicht die letzte sein, im Gegenteil: Die Tendenz geht klar Richtung Reform als Normalzustand. Und ich gehöre eigentlich zu denen, die das begrüssen, weil Unternehmen weiss Gott nicht Jahre auf angemessen ausgebildete Leute warten können und mit veralteten Rahmenbedingungen schlechter oder gar nicht mehr ausbilden.
    Was ich eigentlich sagen wollte: Das sind nicht nur ein paar Zeilen CMS. Jeder Lehrplan und jede Wegleitung, die verlinkt sind, mussten geschrieben, vernehmlasst, angepasst und gelayoutet werden. Am 12. März 2012 sind die Berufsbildnerinnen und Berufsbilder bei uns zum Informationsabend eingeladen. Zwei Wochen vorher sollte alles bereit sein; et voilà! Die erste solche Prüfung findet im Mai und Juni statt. Kurz: Es läuft alles wie gewünscht. Dank dem, dass die Planung frühzeitig und sorgfältig gemacht wurde und alle in meinem Team ihre Arbeit stets termingerecht und gut erledigt haben. Besseres kann mir zum fünfjährigen Jubiläum als Abteilungsleiterin gar nicht passieren.

    Good News

    Heute war die Expertenschulung für die erste Prüfung nach der Reform. Ich war Referntin und gehörte zu den Dienstältesten. Ob sich wohl jemand der heute hier Mitlesenden noch daran erinnert? Nun ist also der letzte Teil der Planung getan, wir konnten viele neue, junge Expertinnen und Experten gewinnen. Damit haben wir ein Ziel erreicht, das mir fast das grösste Anliegen war. (Berufe mit verhältnismässig vielen älteren Prüfungsexpertinnen und -experten können junge Menschen nicht dauerhaft ansprechen, hochgelobte Erfahrung hin oder her. Ich jedenfalls freue mich darauf, meinen Chefexpertinnenposten weiter zu geben.)
    Anfang Februar hat eine unserer Azubis ihr Kind bekommen, genau in der Hälfte der Lehrzeit. Alles klar und wunderbar, alle gesund und munter, ihre Auszeit während der Lehrzeit ist gütlich geregelt. Darüber bin ich froh. Ich muss aber auch sagen, dass Schwangerschaften an der Abteilung Buchhandel noch nie ein grosses Drama waren, obwohl es regelmässig vorkommt, dass eine Lernende deswegen die Lehre kurz oder länger unterbricht.
    Dank meiner fleissigen und Buch-affinen Familie ist die erste Bücherwand fertig eingeräumt. Mit Ordnungssystem rein nach Farbe. Auch blaue Taschenbücher von Max Frisch stehen nicht nebeneinander, wenn’s nicht das gleiche Blau ist. Gefällt mir gut so.
    Bücherwand in der neuen Wohnung

    Stellvertretung in Deutsch: Aufsatz

    Heute hatte ich wieder einmal Stellvertretung in einer sehr netten Klasse einer ebensolchen Kollegin. Es ging um einen Aufsatz à mind. 200 Wörter, in dem die Ich-Form und das Präteritum geübt werden sollten. Die Lernenden bekamen mögliche Anfänge und hatten die Aufgabe, die Geschichte fertig zu schreiben, Sie kennen das sicher und haben es selbst auch schon gemacht.
    Da es für die Azubis wirklich eine Herausforderung war, eine volle Stunde dranzubleiben, habe ich während ihrer Aufsatz-Zeit selber auch geschrieben, sogar auf das gleiche Linienpapier wie sie. Weil ich die Schulbuchbeispiele nicht immer so ganz Migranten-freundlich finde, habe ich mir Aufsatzanfänge auszudenken versucht, aus denen sowohl Zugewanderte wie Eingeborene ohne Vor- und Nachteile eine Geschichte machen könnten. Ich blogge die einmal, damit ich sie wiederfinde.
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    Die ersten Schuljahre

    Als ich gestern – als Abwechslung zwischen Korrekturen – in meinem persönlichen Archiv stöberte, stiess ich auf zehnjährige Notizen zum Schulanfang. Das Kind und viele andere uns bekannte Kinder standen damals kurz vor der Einschulung. Ich war ein paar Jahre ehrenamtlich in der Aufgabenhilfe tätig und rechnete nicht mit bedeutsamen Inhalten. Doch selbst meine geringen Erwartungen wurden enttäuscht. Neue deutsche Rechtschreibung? Hochdeutsch im Unterricht? Wochenplan? Einigermassen aktuelle Lehrmittel? Übungsblätter zur Individualisierung? Fehlanzeige. NDR kam nur als Ärgerthema am Elternabend vor, Hochdeutsch wurde bloss während den Besuchen von Politikerinnen angewendet, von Wochenplänen hilelt die keifende Lehrerin ebensowenig wie vom neu entwickelten Zahlenbuch, welches sie den Kindern mir nichts dir nichts vorenthielt. Das älteste Lehrmittel war von 1964 (vorgeburtlich selbst für mich), das Neuste von 1988. Wenn ich einmal nachfragte, war immer und an allem der hohe Ausländeranteil mit all den ungengügend erzogenen Kindern schuld.
    Es ist wenig empirische Sozialforschung nötig, um zu ermitteln, weshalb das Kind und zwei weitere Jungen (ein Asiate und ein Ägypter) aus diesem Jahrgang unseres Quartiers die einzigen sind, die das Gymnasium besuchen. Dazu brauchte es nämlich ein Umfeld, das die Grundlagen unabhängig von und neben der Schule vermittelte.
    Weil ich mich aber daran nicht mehr erinnern konnte, habe ich gestern Fotos gesucht. Und siehe da: In den ersten beiden Schuljahren lernte das Kind am Lapdop (das Programm hiess Addy Junior), zählte regelmässig das eigene Geld, sammelte und tauschte Fussballbilder und tanzte Flamenco. Das diente dem mathematischen Verständnis, gab Einblick ins Kaufmännische und in die Geografie (das weiss, wer selber Fussballbilder sammelt), half beim Argumentieren und verhalf zu dem Durchhaltevermögen, die Schule zu ertragen.
    Die vier ersten Schuljahre des Kindes werden uns Eltern als freudlos und leidvoll in Erinnerung bleiben, die Zeit neben der Schule jedoch war anregend und oft lustig. Das Kind selber meint heute, seine Erinnerung an die Schule setze erst in der fünften Klasse ein, als es in eine Privatschule wechselte.
    Am Laptop mit Addy Junior
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