Urheberin gefunden

Liebe Frauen, die ihr heute nach(t) dem DIK mit mir Espresso getrunken habt:
„Es gibt keine Hierarchie des Kummers.“
Ich habe das Zitat gefunden (ja genau, wie es sich für Buchhändlerinnen gehört). Es ist von Renate Rubinstein, deren Werk in Deutsch fast nur noch im Antiquariat zu finden ist.
Das war irgendwo in meinem Hirn abgelegt, aber ich (oder besser mein Hirn) wusste gleichzeitig auch, dass es nicht von mir sein kann. Hat mich aber gefreut, dass es bei euch hängen geblieben ist.
[Zusammenhang für die, dich nicht dabei waren: Thema war, dass wir manchmal auf Probleme anderer Lehrpersonen mit Unverständnis reagieren. Was die eine „Peanuts“ findet, macht die anderen völlig fertig. Aber das sollte man einfach nehmen, wie es ist und einander Lösungen suchen helfen.]

Satz des Pythagoras

In der letzen Lektion hat Jürg gesagt, wir sollten uns doch überlegen, wie wir in der nächsten den Satz des Pythagoras erklären. Egal mit welchem Medium, auch in zehn Sätzen wäre erlaubt.
Nun habe ich mich ein wenig damit befasst und gemerkt, dass es schon etliche didaktisch perfekte Beweise für die Richtigkeit des Satzes gibt, zum Beispiel von der Uni Erlangen oder der British Columbia in Vancouver. Also WAS und WIE sind breit geklärt, man kann basteln, schneiden, verschieben, Quadrate an Dreiecke legen und umgekehrt und braucht das Rad nicht neu zu erfinden. Aber das WARUM fehlt mehrheitlich im didaktischen Strauss, es scheint also nicht nur mir ab und zu durch die Lappen zu gehen.
Mal sehen, ob mir etwas einfällt, was die pythagoräische Nützlichkeit didaktisch sinnvoll reduziert.

e-learing: Tipps and Hints

Heute im Kurs waren unsere Medien, genauer unsere Hilfsmittel ein Thema. Ich komme sicher dann und wann noch darauf zurück. Wandtafeln haben auch ihre Tücken. und die computergeschädigte Schrift heutiger Fachlehrpersonen wäre auch einmal ein Thema. Wir hätten alle Kalligraphie nötig, wie das in China und Japan zu jeder Ausbildung gehört.
Aber eben, eigentlich wollte ich nur einige Links zum Thema e-learing platzieren.
Jürgs Tipps:
ICT-Projekt des SIBP
ICT-Drehscheibe
WIGL Gastro-Lehrmittel (kostenpflichtig)
www.e-week.ch, ein abgeschlossenes Projekt vom Dezember 2003
Und ein wenig Off Topic empfiehlt er noch das neue Buch der verrückten Experimente
samt Leseproben. Gibts natürlich auch offline zu lesen.
Tanjas Tipps:
Wenn ich etwas Neues über e-learning in deutscher Sprache und für deutschsprachige Lehrpersonen lesen will, komme ich am Weblog Netzlernen nicht vorbei, darum ist es hier ja auch seit Anbeginn verlinkt. Es hat eine wunderbare Kategorie zu diesem Thema, die regelmässig gefüttert wird. Auch das BildungsBlog hat interessante Hinweise, zum Beispiel den auf lernqualität.de. Stets nützlich auch das Weiterbildungsblog, das mir Links zu Studien und Evaluationen bietet, wie diese amüsanten Ausführungen eines Dozenten für Künstliche Intelligenz. (Nebenbei bemerkt geht es mit der Artificial Intelligence auch nicht immer so vorwärts, wie uns das mal vor zwanzig Jahren angekündigt worden ist. Also allzuweit aus dem Fenster lehnen pukto Rentabilität können sich die AI-Spezialisten nicht.)
So, das wars von meiner Seite zum Thema. Hinweise immer gern, ich kann ergänzen, im Internet ist noch viel Platz.
UPDATE 15.12.2004: Netzlernen empfiehlt das Buch eModeration, in dem es nicht um eLearning, aber um das Lehren mit dem Internet geht.

Müdigkeit

Unsere Frage aus der Praxis im letzten Kurs befasste sich unter anderem mit dem Thema Müdigkeit in der Schulstube. Folgende Tipps wurden gegeben:

Selbstkritik
kurze Pause
Standpauken
Paararbeiten
Traubenzucker
Fenster öffnen
Einzelgespräch
Ernährung thematisieren

Selbstkritik:
Man muss sich permanent hinterfragen, Blitzlicht hier und Standortbestimmung dort. Seit DIK1 mache ich das auch. Wenn die ganze Klasse schläft, komme ich dadurch immer weiter, dann habe ich eben die Häufigkeit des Methodenwechsels vernachlässigt oder für einmal 30 Minuen referiert, obwohl bei mir eigentlich 20 Minuten die Grenze des Frontalunterrichts sind. Zwischendurch bitten mich die Lernenden regelrecht darum. Ich habe mit einigen Kollegen gesprochen, die das Gleiche erzählen. Finde ich lustig.
Kurze Pause:
Werde ich einmal ausprobieren. (Ebenfalls geblieben ist mir Thereses spätere Bemerkung, man könne den Lernenden gut einmal zehn Minuten zur Selbstverwaltung geben – das werde ich bald machen und freue mich sehr darauf zu schauen, was dann passiert.)
Standpauke:
Lässt sich manchmal nicht vermeiden. Zum Beispiel wenn während einer filmischen Dokumentation geschlafen wird, die nicht länger als eine Lektion dauert. Sinnvoll ist die Standpauke in Form von Information über den Biorhythmus und das menschliche Schlafbedürfnis, aber manchmal mag ich einfach nur noch Standpauke ohne sinnvoll.
Paararbeiten:
Nützen bei mir nur bedingt. Oft akzepiteren die Partner einfach das Kopf auf den Tisch legen. Aber ich werde es wieder probieren.
Traubenzucker:
Ist eine ganz wunderbare Idee, die meine Schülerinnen und Schüler zum Glück auch selber schon hatten. Sie reichen oft Muntermacher herum und bieten mir auch an.
Fenster öffnen:
Mache ich regelmässig, wann immer es geht (meine Schulzimmer an der Effingerstrasse sind enorm laut). Aber Sauerstoff ist die halbe Miete.
Einzelgespräch:
Habe ich auch schon probiert, aber wohl falsch angefangen. Jedenfalls waren die Lernenden beleidigt und haben mich wissen lassen, dass die und die auch schlafen und warum ich denn mit denen nicht reden würde. Probiere ich wieder. Manchmal reicht mir auch einfach das Twixtel und ich sehe, man kann es drehen und wenden, der Schulweg ist zu lang. Meine Lernenden arbeiten zu Ladenöffnungszeiten, das heisst, wenn sie essen wollen und Aufgaben machen, sind sie – je nach Adresse – einfach zu spät im Bett. Der Schulweg ist etwas, was ich immer wieder an den Informationsabenden für die Ausbildungsbetriebe zu thematisieren versuche, aber die Sensibilisierung erweist sich als schwierig.
Ernährung thematisieren:
Da habe ich jetzt gerade in keiner meiner sechs Klassen Sorgen. Die Lernenden essen permanent und äusserst gesund. Reiswaffeln, Darvida, Früchte – und sie trinken viel Wasser. Ich erlaube mir jeweils darum zu bitten, während der Stunde selber nur zu trinken. Und das verstehen sie in aller Regel gut.

Lernaktivitäten und -prozesse

Lernpsychologisch werden Lernaktivitäten und Lernprozesse unterschieden, haben WEBA und ich (einen Artikel) zusammengefassend festgestellt und auf die vorgesehene Karteikarte notiert. (Unschön, ich weiss. Man berücksichtige bitte die fortgeschrittene Stunde sowie den Biorhythmus.)
Karteikarte zum Artikel «Lernaktivitäen, Lernsituation, Lernparadigmen»
Wichtig ist, dass wir selber erleben, was wir unseren Lernenden „zumuten“. Für mich ist das zentral, aus pädagogischen und praktischen Gründen, aber auch weil es eine Basis ist für natürliche Autorität, ich will wissen, was ich verlange. Ich merke meistens schnell, wenn ich etwas falsch kopiert habe, ich erkenne Unlogisches, weil ich die Tests selber auch schreibe, die Buchrezensionen auch lese und die Gedächtnisübungen entweder schon ausprobiert habe oder auch mitmache.
Ich habe meinen eigenen inneren Lernprozess noch nie genauer verfolgt. Aber mit Steffi Baumanns nervigem Logical zum Start bin ich ein richtiger Fan davon geworden und bin schon ganz zweigeteilt vor lauter Beobachtung meiner selbst.
Den Begriff „Logical“ habe ich nicht gekannt, es gibt ganz viele, für alle Stufen und auch für Erwachsene. Sie erscheinen z.B. in den kantonalen Lehrmittelverlagen und oft auch zusammen mit anderen originellen Denkaufgaben. Online habe ich die beste Auswahl bei den österreichischen Rätselcracks Janko gefunden.

biologisch wie psychologisch

Durch Austausch, Übungen, Selbstversuche und Artikel habe ich seit letztem Donnerstag ziemlich viel Neues über die biologischen und psychologischen Grundlagen des Lernens erfahren, kann es mir merken und will es anwenden. Mal sehen.
Bleibenden Eindruck hinterlassen natürlich Selbstversuche:
Biorhythmus: Das Gedächtnis funktioniert nicht immer gleich (gut). Habe ich ausprobiert, indem ich eine Übung zu verschiedenen Tageszeiten wiederholt habe. Sich zehn gesprochene deutsche Nomen merken, sich zehn geschriebene deutsche Nomen merken, sich zehn visualisierte deutsche Nomen merken. Und zwar über eine Minute nach Aufzählung und teils mit Ablenkung (Rechnungen, Schwatzen).
Es gibt verschiedene Lerntypen, nicht alle sprechen auf alle Eingangskanäle gleich gut an. Aber die meisten können sich Visualisiertes besser merken. Ich selber hatte im obigen Versuch identische Erfolgsquoten, egal ob ich die zehn Wörter gehört, gelesen oder als Symbol gesehen hatte, ich konnte mir gleich viele Wörter merken.
Kurzzeitgedächtnis: Widersprüchliche Daten behindern das Verständnis auf der ersten Stufe. Jetzt habe ich endlich die Erklärung dafür, warum Lernende keine unterschiedlichen Lösungswege aufgezeigt kriegen wollen. Das ist von den Nachhilfestunden, die ich Erstklässlern gebe, bis zu den Lehrlingen genau gleich. Sehr interessant.
Versuch (1:1 aus dem Kurs übernommen) mit Mann und Viertklässler-Kind um 20:30 Uhr:

„Ich sage euch jetzt 10 Wörter und wir gucken, wie viele ihr euch merken könnt. Nach den Wörtern sage ich euch noch eine kurze Kettenrechnung, danach bleiben wir eine halbe Minute ruhig und dann schreibt ihr auf, was ihr (noch) wisst. Let’s go:
Fuss, Strumpf, Leiter, Uniform, Teufel, Bierglas, Krone, Fensterladen, Nadel, Deich.
Rechung: 22 x 5 = ? / davon 1/5 = ? / verdopple = ?“
… 1/2 Minute warten,
„… aufschreiben.“

Ergebnis: Beide hatten richtig gerechnet, der Mann konnte sich neun Wörter merken, das Kind sechs. Der Mann hat Geschichten gemacht und möglichst viele Wörter darin untergebracht („der Tschugger in Uniform trinkt in der Krone aus dem Bierglas“ u.s.w.), das Kind hat die Wörter nach „Takt“ (also Silbenanzahl) geordnet und sie so oft wie möglich wiederholt. Allerdings hat das Kind während des Versuchs ständig geredet „Teich oder Deich? “ und „soll ich die ganze Rechnung aufschreiben?“ und „wie viele Wörter hat der Bap schon?“. Der Teufel ist dem Mann entgangen, beim Kind stand er zuerst auf der Liste.
Die Vorgänge, Bedingungen und Schlussfolgerungen ausgezeichnet beschrieben hat Wolfgang Pohl, auch wenn mir als Pedantin ein paar Quellen fehlen.

Unsere Indikatoren

Jürg hat die Indikatoren für den guten Unterricht zusammengetragen, die wir im Kurs aufgrund unserer eigenen Erfahrungen rausgesiebt hatten. Er hat dazu gemeint, dass man das keiner angehenden Lehrperson unter die Nase halten könne, ohne dass die sofort den Hut nähme. Das denke ich auch. Aber selber sehe ich die Liste eher als Ideal, nach dem zu streben bestimmt nicht falsch ist. So betrachtet demotiviert mich das auch nicht.

Kopf, Herz, Hand

Nach unserer Experten- und Expertinnenrunde letzen Donnerstag haben wir ein Papier [Quelle unklar, ursprünglich nach Klaus. W. Dörig, von dem ich kaum etwas finde] bekommen. Es fasste zusammen, was wir herausgefunden hatten und auch das, was andere vor uns schon herausgefunden hatten. Das Paper hat am Ende noch einmal eine Zusammenfassung seiner selber. [Wenn es nach mir ginge, würden Zusammenfassungen grundsätzlich immer am Anfang stehen. Aber weil dem nur bei Offerten oder Verträgen so ist, beginne ich – in der Hoffnung auf Abkürzung – meistens hinten mit dem Lesen.]
Nun denn, die Zusammenfassung der Zusammenfassung ist mir jedenfalls nützlich und darum wird sie hier gebloggt, mit meinem Senf weiterhin in eckiger Klammer.

Lernen als ein aktiver, verbindlicher Prozess der Verinnerlichung ist mehr als nur passives Zuhören. [Genau, vom Zuhören allein hat noch kaum einer was gelernt. Und der Redner hat meistens die Wahnsinnsidee, er könnte seine Ausführungen einfach einer Gruppe einpflanzen und die würden dann von selber in die richtige Richtung weiter spriessen. Gottseidank funktioniert das nicht. Würde mich wundern, wenn Fidels Achtstünder noch etwas wert wären, würden die zusätzliche Repressalien wegfallen.] Dieses neue Verständnis vom Lernen hat für das Lehren weit reichende Konsequenzen. [O-Ton Jürg: „WAS? WIE? WARUM? Bedeutsamkeit. Sachen lehren, die sind.“] Wir [?] haben sie in den Grundzügen in fünf Schritten skizziert:
1. Lernen ist ein ganzheitlicher Vorgang [Steiner hats gesagt]
2. Kopf, Herz und Hand sind dabei beteiligt [Pestalozzi hats geschrieben]
3. Verschiedene Aktiviäten sind zur erfolgreichen Verinnerlichung erforderlich
4. Dabei sind mehrere Anläufe nötig [eben, Steiner, Pestalozzi, Montessori]
5. Unterrichtliche Hilfsmittel sind unentbehrliche Helfer der Lehrkraft
(…) Der entscheidende Unterschied zwischen altem und neuem Modell besteht in der Betonung des Unterrichtsprozesses mit möglichst abwechslungsreichen Abläufen zur Bewältigung des Lerngegenstandes. [Das klingt ein bisschen, als müsste jeder Herkules oder Siegfried sein, um den Lerngegenstand zu bewältigen. Und das ist vielleicht gar nicht falsch. Lernen geht nicht immer spielend, das kann auch ganz höllisch sein. Und weil die Lehrpersonen ihr Zeugs ja können müssen, wenn sie vor der Klasse stehen, vergessen sie manchmal, dass das Aneignen eine ziemliche Herausfoderung sein kann. Ich auch.]
Solche Prozesse nennt man „Interaktions- und Kommunikationsprozesse“ und meint damit: vortragen, diskutieren, erklären, aufschreiben, zeichnen u.s.w.
Lernen heisst: Opitmale [optimal = best möglich] Realisierung intensiver Aneignungs- und Internalisierungsprozesse [internalisieren = sich unbewusst zu Eigen machen].

Figur-Grund-Vertauschung

Eine Vase oder zwei Profile?
Eine Vase oder zwei Profile? Ist beides gleichzeitig sichtbar?
Unser Hirn strukturiert freundlicherweise unsere Wahrnehmung. Es macht zum Beispiel eine Figur-Grund-Gliederung. Was soviel heisst wie, dass die Figur eines Apfels auf gestreiftem Hintergrund irreversibel ist. So sehr ich mich auch anstrenge, ich sehen einen Apfel auf gestreiftem Hintergrund, das ist nicht umkehrbar. Aber das Hirn kann auch Figur-Grund-Vertauschungen, wie in dieser Abbildung. Es ist mir durch willentliche Anstrengung möglich, einmal die Profile und einmal die Vase zu sehen. Genau wie ich bei der Vorführung einer DVD im Schulzimmer mein Gehör verschieden „einstellen“ kann: Je nachdem wie ich will, höre ich das Geflüster der Lernenden in der zweiten Bankreihe oder die Stimmen im Film. Das ist phänomenal. Und praktisch.
[Quelle: Bovet/Frommer, Grundkurs Psychologie]