Zum Blödesten…

…gehört der Herbstschulbeginn. Ich will ihn nicht rückgängig machen, auch mir ist klar, dass wir uns anpassen mussten.
Es sind nicht nur die fallenden Blätter, die den Start ins neue Schuljahr begleiten, die mich stören. Es ist auch das deplazierte Semester-Ende, das in der Folge zwischen Weihnachten und einer kargen Sportwoche Anfang Februar zu liegen kommt, nur damit das neue Semester dann immer noch im tiefen Winter beginnen kann.
Jedenfalls verbringe ich meine Zeit mit dem Erstellen von Nachholtests (bei denen mich die Nachholenden dann in 60% der Fälle doch versetzen), mit dem Aushandeln von neuen Terminen für Referate und mit dem Abziehen von Punkten, weil sie schliesslich immer noch zu spät gehalten werden. Daneben überquillt die Mailbox von Anweisungen zur Notenabgabe und Absenzenkontrolle. Es dauert nicht mehr lange, so kommen schon die Befehle, wann wie und wo die Fragen für die Lehrabschlussprüfungen erstellt und deponiert werden müssen. Auch dafür stehen keine „Ferien“, die unter Lehrpersonen „unterrichtsfreie Zeit“ heissen, zur Verfügung, denn der Abgabetermin liegt vor Ostern.
Ich bin ziemlich belastbar, aber in diesen Wochen platzt mein Kopf und ich muss viel Echinaforce spicken, um nicht krank zu werden und meinen Aspirin500-Vorrat griffbereit in der Jeans haben.
Gut, dass es so viele Bloggerinnen und Blogger gibt, die die Themen, die mich interessieren, auch beackern. Lanu hat nach ihrem einfachen Neustart nun wieder eine richtige BooCompany auf die Beine gestellt und gute Presse dafür bekommen, gratuliere! Der eDemokrat will wie ich mehr Demokratie in Europa. Die Kaltmamsell hat nicht nur Solutions für den Pain Factor „Korrigieren“, sondern auch eine schöne Buchbesprechung (die Kommentare dazu sind ebenfalls sehr lesenswert), während Herr Rau den Austausch zwischen den Lernenden fördert, was ich für eine der wichtigsten neuen Lernformen halte.
Schlecht hingegen, dass sich meine Befürchtungen in anderer Sache so schnell bewahrheiten. Egal wie offensichtlich die Fehler sind, wir leben in einer Spargesellschaft, die ihren Mangel an Sachverstand und Effizienz einfach nicht zu überwinden weiss. Für den Hinweis danke ich Marian Wirth, der mich immer wieder mit Informationen aus der EU, zu der ich bekanntlich nicht gehöre, beliefert.

Tamilische Schule

Ich kenne in Bern eine französische, italienische, spanische und kroatische Schule.
Die Französische funktioniert wie eine Privatschule, verschiedenste Kinder besuchen sie aus unterschiedlichsten Gründen, vom Diplomatensohn bis zur Tochter marokkanischer Einwanderer.
Die italienische und kroatische Schule finden an einem Mittwochnachmittag statt, der in der Schweiz sonst schulfrei ist. Sie ist je nach Lehrperson stark katholisch geprägt und soll den Kindern auch religiöse Erziehung bieten. An Wochenenden oder in der Ferienzeit wird Gemeinsamkeit gepflegt. Die spanische Schule funktioniert ähnlich, allerdings fällt mir auf, dass die Religion weniger wichtig ist und auch Atheisten ihre Kinder dort hinschicken. Dafür haben Musik, Tanz, Aufführungen und Ausflüge einen hohen Stellenwert.
Bei mir im Quartier und in der Umgebung wohnen viele Tamilen, und ich habe bis jetzt nie richtig verstanden, wie ihre Schule funktioniert.
Gestern am Mittag strömten Hunderte von tamilischen Kindern aus unserem quartiereigenen Festsaal und ich traute mich sie zu fragen, welches Fest sie denn gefeiert hätten? Darauf meinte ein Mädchen keck: „Nicht Fest! Test!“
Sie erklärte mir, dass tamilische Kinder irgendwie neben der „normalen“ Schule unterrichtet werden können, auswärts, daheim, in kleinen oder in grossen Gruppen, in jedem Land der Welt. Andere gesellten sich hinzu und machten weitere Ausführungen. Der Unterricht und die Schulbücher seien international und nach Alter gegliedert. Einmal im Jahr finde ein Test statt, der darüber entscheide, ob ein Kind in die nächste Klasse komme oder nicht. Ein kleiner Junge erzählte mir mit aufgerissenen Augen, er sei Erstklässler und wenn die Korrektoren mit seiner tamilischen Schrift nicht zufrieden seien, könnte er auch in den Kindergarten zurückfallen, jawohl, auch das gebe es.
Doch Kindergarten und die Klassen können unbegrenzt wiederholt werden. Der Test findet in allen Ländern Europas am gleichen Samstag statt und bis im Mai sind auch alle übrigen Kontinente mit ihren Prüfungen durch. Danach werden die Resultate zugestellt und der jeweilige Unterrichter passt sich den Ergebnissen an. Also alles in allem ein sehr niederschwelliges und migrationstaugliches Schulsystem.
Meine Haltung gegenüber traditionsgeprägter Globalerziehung ist eine misstrauische. Deshalb fragte ich ein in der Nähe stehendes Elternpaar, ob ich die Schulhefte und Lehrbücher ihres Sohnes einmal anschauen dürfte? Einfach so, weil ich auch Lehrerin sei? Die Eltern nickten ganz begeistert und der Sohn – ein Sechtsklässler – führte mir alles vor.
Natürlich kann ich kein Tamilisch lesen. Aber ich habe lange für Lehrerinnen Bücher und Sprachkassetten besorgt, die Tamilien unterrichtet haben. Dabei habe ich auch mehrsprachige tamilische Lehrmittel kennen gelernt. Daneben war ich lange Zeit an einem Freiwilligenprojekt mit dem wohl klingenden Namen „Mitten unter uns“ beteiligt, das die Kinder von Neuzuzügern integrieren wollte, und dort hatte ich auch viel mit Tamilen und ihren Lehrmitteln zu tun.
Mir haben die Hefte und Bücher gut gefallen. Auf dem Niveau der 6. Klasse gab es das Thema Geschichte (Indische Geschichte mit einer Gandhi-Biografie), Flora und Fauna der Heimat, tamilische Sagen, die vielen uns bekannten Märchen ähnlich sind. Mit eingesperrten Singvögeln und traurige Prinzessinnen, die nicht tun dürfen, was sie möchten, mit gestrengen aber doch liebenswürdige Befehlshabern, mit cleveren Helden und eingeflochtenen Liedern und Gedichten.
Zu den meisten Themen gab es reichlich Auswendiglernfragen und Lückentexte. Mathematik und andere naturwissenschaftliche Fächer kamen nicht vor. Das sind Dinge, die werden in jeder Schule der Welt angeboten, die braucht es nicht.
Als ich danach mit dem Bus in die Stadt fuhr, konnte ich noch ein Mädchen im gleichen Alter nach ihrem Material fragen und sah, dass die Bücher mit denen des Jungen identisch waren.
Meine Befürchtung, dass Propaganda gemacht wird und die Mädchen hauptsächlich mit Haushaltslehre und Heiratsvorbereitungen beschäftigt werden, erwies sich als unbegründet, und darüber bin ich froh. Doch erlaube ich mir einen Rest Skepsis. Denn der grösste Teil des Lehrens und Lernens hängt davon ab, was im Unterricht gesagt, getan oder unterlassen wird.
Aber das ist ja bei uns nicht anders.

Standardsprache

Kinder profitieren von Hochdeutsch, auch schon im Kindergarten, sagt die vierjährige Studie, die das Erziehungsdepartement des Kantons Basel-Stadt in Auftrag gegeben hatte.
In Bern passiert vorerst nichts„. Das stimmt politisch, aber es gibt sehr wohl Lehrerinnen und Lehrer, die sich Gedanken über die Umsetzung einer rein hochdeutschen Kommunikation im Unterricht machen. Meine Schwester arbeitet als Heilpädagogin im Ambulatorium, das heisst, dass sie die Kinder mit Schwierigkeiten nicht aus der Klasse holt, sondern sie innerhalb der Klasse, im Klassenzimmer, unterstützt. Da begegnet sie durchaus Lehrpersonen, die konsequent Hochdeutsch unterrichten.
Neulich hat sie mir von einem Lehrer erzählt, der unter dem Türrahmen des Klassenzimmers eine sichtbare „Sprachgrenze“ hat. Es klebt ein rotes, breites Band auf dem Boden. Wer dieses von draussen her übertritt, muss Hochdeutsch sprechen. Damit erreicht der Lehrer neben der konsequenten Anwendung des Standarddeutschen auch, dass die Kinder untereinander nur flüstern, sobald sie das Schulzimmer betreten haben, weil sie ja nicht beim Dialekt sprechen erwischt werden wollen. Wie er diese Regel durchsetzt, wusste meine Schwester nicht, sie hat nie erlebt, dass er Sanktionen verhängen musste und die Klasse wirkt eher selbständig als eingeschüchtert.

Paradise Now: Filmheft

Ich habe den Film voller Vorurteile angeschaut, als er hier ins Kino kam. Schon bevor er in der Blogosphäre auftauchte, hatte ich Vernichtendes darüber gehört.

Der Mord an Israelis soll als Überzeugungstat verständlich gemacht werden, und bietet seinem Publikum an, diese Überzeugungen im Verstehen der Tat zu teilen.

Aber ganz ähnlich wie bei Grass’ Im Krebsgang, zu dem ich zahlreiche Rezensionen betreffend Verharmlosung der deutschen Schuld und Tätersympathie gelesen hatte, bevor ich überhaupt zur Primärlektüre kam, musste ich wieder merken: es ist nicht, wie es teilweise rezensiert worden ist.
Nachdem nun auch noch diese Petition die Runde macht, habe ich letzte Nacht das Begleitheft für Schulen durchgelesen. Ich habe noch niemanden gefunden, der seine Begründung, es sei schlecht, auf Fundament gestellt hat und auch noch keine Lehrperson, die sich äussert. Das sollten wir aber.
Viele Länder unterstützen Filme in der Absicht, sie für den Unterricht zu verwenden. In der Schweiz werden oft Themenfilme in Auftrag gegeben, das gibt Arbeit für Schweizer Filmemacher und Filmemacherinnen, und es entsteht daraus wichtiges Unterrichtsmaterial für verschiedene Stufen.
Ein Beispiel: Eine meiner Schülerinnen sagte in der Pause, sie wäre immer gegen Rassismus gewesen, aber seit letzten Samstag wisse sie, dass die „Jugos“ genau so seien, wie das erzählt werde.
Ich habe darauf nur indirekt reagiert, indem ich zwei Lektionen mit Balkan Realities und einer (damals) Neuerscheinung Ein Stück gebrannter Erde gemacht habe. Stiftungen wie die für Bildung und Entwicklung ermöglichen mit Hilfsmitteln eine schnelle Reaktion im Unterricht. Die Qualität des Materials ist mehrheitlich gut, ich erinnere mich nur an einen einzigen Flop, den Comic Das Abkommen, den ich wahrlich niemandem empfehlen kann.
Ich vermag nicht einzuschätzen, ob Deutschland hier ähnlich funktioniert und die Bundeszentrale für politische Bildung mehrheitlich gutes Unterrichtsmaterial produziert. Aber zurück zum Begleitheft zu „Paradise Now“. Das Heft ist schlecht, das lässt sich nicht abstreiten. Da ich nicht davon ausgehe, dass Heerscharen von Lehrkräften sich um diesen Film reissen, gebe ich dafür nur zwei Gründe:

  • Es hält der Kongruenzprüfung nicht stand. Übrigens ein häufiger Fehler in didaktischem Begleitmaterial, das nicht von Lehrpersonen verfasst oder zumindest korrigiert wird. Wenn es in der Zusammenfassung heisst, die Familien seien „ahnungslos“ und in der Beschreibung der Mutter dann, sie spüre „intuitiv“, dass der Sohn etwas „im Schilde“ führe, dann ist das halt nicht unterrichtstauglich. Und es ist leider nicht das einzige Beispiel.
  • Die Fragen (unerklärlich getrennt nach „Problemstellungen“ und „Aufgaben“), die die Lehrperson den Lernenden stellen könnte, sind von minderer Qualität oder böser: „Wischiwaschi“. Sie lassen kein Lernziel erkennen und bieten nur sehr erfahrenen Lehrpersonen einen Ansatz für Gruppenarbeiten (solche Sachen macht ja kein Mensch im Lehrgespräch oder im Frontalunterricht).
  • Wenn ich die Bundeszentrale für Politische Bildung wäre und diesen Film unterstützt hätte, hätte ich das getan, weil deutsche Schulen von sehr vielen Muslimen besucht werden. Und weil viele dieser muslimischen Lernenden nicht die Gelegenheit haben, sich eine eigene Position in ihren Familien zu erarbeiten, schon gar nicht eine politische. Wenn daheim Antisemitismus anerzogen wird, übernehmen sie das unreflektiert, weil die Schule dem zu wenig oder gar nichts entgegensetzt. Und Figuren, mit denen jeder selber – ob in der Literatur oder im Film – um Ablehnung und Sympathie ringen kann, können Menschen Differenzierung lehren. Doch nachdem ich das Heft für den Unterricht mit Lernenden ab 14 Jahren nun gelesen habe, weiss ich nicht, mit welchem Lernziel der Film gezeigt werden soll.
    Grundsätzlich aber unterstütze ich Filme für die Schule, die nicht undiskutiert stehen bleiben können. Denn die eigene Position ist die einzige Garantie für Demokratie. Eine eigene Meinung muss man üben und je durchmischter die Klasse, desto besser geht das. Denn die Schule ist ein Lernort und nicht einfach eine Vermittlungsstelle für Patentrezepte.

    Macht (der) Kultur!

    Manchmal kommt die Lehrerin ganz überraschend zu Unterrichtsstunden. Vielleicht ist jemand krank oder dessen Kind. Oder jemand ist eingeschneit oder ausgepumpt oder sonst nicht in der Lage, der Stellvertretung einen stofflichen Auftrag zu erteilen. So sieht sich die Lehrerin mit unverhofften Freiheiten konfrontiert. Keine Reglemente, keine Erfolgskontrollen – nur Absenzenliste abhaken muss sein und Fluchtplan einhalten, falls es brennt.
    Inspiriert von einem betörenden Artikel in der „NZZ am Sonntag“ (2. Oktober, nicht online) von Sieglinde Geisel, schmiedete ich missionarische Pläne zur Verbreitung von klassischerer Literatur für diese autonome Unterrichts-Zone.

    Sie [die Zeit] ist das Reservoir, in dem sich die verwandelnde Erfahrung des Lesens sammelt und in Wirkung verwandelt. Wer einmal Kafka gelesen hat, hat immer Kafka gelesen.

    Wie für mich geschrieben. Und der Titel erst: „Wenn Worte im Kopf explodieren“. Aber was sollen Achzehnjährige damit? Ich holte eine Aufnahme des „Literarischen Quartetts“ hervor, das sich zu Thomas Manns 50. Todestag letzten August ein erneutes Stelldichein gegeben hat. Und befand diese Diskussion als rechten Konsens zwischen dem hochliterarischen und dem buchhändlerischen Alltag. Meine Vorbereitungsarbeit ist soweit in Ordnung. Ob brauchbar, wird sich weisen.
    Dann habe ich – nach kurzem Reaktionsscreening in der Klasse – beschlossen, die Schülerinnen und Schüler des Abschlusslehrjahres in die Kunsthalle zu Knut Asdam zu schicken. Dort, wo sich die Menschen mit Sichrheitsnadeln auf der Zunge küssen und das soziale Geschlecht eine Rolle spielt. Ich glaube nämlich nicht an die Überforderung durch Kunstausstellungen, es ist jedem schnell genug möglich, sich ab- und etwas anderem zuzuwenden. Aber ein Flop und verzettelt kann’s immer werden und die Lernenden könnten sich auch unbemerkt verdrücken. Da ich aber keine Testergebnisse brauche, schreckt mich das nicht. Was nicht bedeutet, dass ich mich nicht um ein Programm für verschiedene Niveaus kümmere. Muss ausprobieren.
    Wenn ich schon dabei bin: Die Klassen des 2. Lehrjahres können an der Buchmesse nicht sich selbst überlassen werden und sollen nicht untätig bleiben: meine Vorbereitungen habe ich als Worddokumente ins Forum für den Buchhandel gestellt, damit andere sie nutzen könnten. (Vorher fragen ist nicht nötig, lieber Verband, liebe winterthurer Schule, ehrlich.)
    Noch etwas: Menschen, die sich mit Suchmaschinen befassen oder gar darüber lehren, mögen doch den ZEIT-Artikel „David gegen Google“ lesen. Das ist ein Stück Kulturgeschichte der Neuzeit.
    Meine Empfehlung: ausdrucken und aufs Klo mitnehmen.

    Was Lehrer können

    Mein hiesiger Vorwurf, dass sich die Lehrpersonen nicht um die Rechtschreibereform kümmern, trifft zumindest in unserer Schule nicht zu. Der Fachverantwortliche hat uns sehr schnell und übersichtlich informiert. (Ich hatte gehofft, in bayrischen Lehrerblogs etwas über den bayrischen Weg zu lesen, aber bin noch nicht fündig geworden. Oder habe etwas übersehen. Und vielleicht ist die Nicht-Reform mit dem Hochwasser weggespült worden, das wäre bei uns auch beinahe passiert.)

    Gute Berufsschule

    Wie angekündigt, stelle ich auch mich und die Berufsschule, an der ich unterrichte, der Kritik:

    Die didaktischen Grundlinien der Schule sind trasparent.

    Ist nur teilweise gegeben. Die Lernziele sind klar in internen Lehrplänen festgelegt und für alle transparent, das heisst zugänglich. Die Bewertungskriterien sind unterschiedlich und doch relativ klar. Ob Auftrag und Bewertung immer übereinstimmen… daran zweifle ich und daran arbeit ich.

    Alle Lehrpersonen kennen die Grundsätze der Schule und können sich mit ihren identifizieren.

    Ist weitgehend gegeben. Intern kommt es natürlich oft zu Diskussionen aber gegen Aussen ist die Identifikation sehr gross. Die Unterrichtsbeurteilung durch die Lernenden ist im Vergleich mit anderen Schulen des Kantons belegt die vordersten Plätze, was für mich ein Zeichen der Einigkeit ist.

    Die Infratstruktur, das Honorar, das Weiterbildungsangebot für die Lehrpersonen, die Zusammenarbeit und die Führungskultur der Schule entsprechen andragogischen (erwachsenenbildnerischen) Leitvorstellungen.

    Die Infratruktur ist gut, aber die Schule ist zu klein, eine Tatsache, die man nicht einfach so ändern kann. Das Honorar ist angemessen, aber der Leistungsauftrag nimmt unangemessen zu. Die Zusammenarbeit ist sehr unterschiedlich gut, aber wenn ich auf die letzten zehn Jahre blicke, hat sie sich verbessert. Durch Qualitätssicherung haben wir Kommunikationswege, die wirklich gut und transparent sind, das dient auch der Führungskultur.

    Die Übereinstimmung mit den Gesetzen, den Lehrplänen und den Ämtern wird sporadisch überprüft.

    Ja, das wird regelmässig gemacht. Durch die ständigen Reformen wäre es gar nicht möglich, das unter den Teppich zu kehren.

    Es werden Lehrpersonen mit viel und aktueller Berufserfahrung beschäftigt.

    Viel Berufserfahrung ist da, bei der Aktualität hapert es in manchen Fächern vielleicht etwas. Mit der Auflage zur didaktischen Weiterbildung hat man zu lange gewartet und es ist verständlich, dass viele ab einem bestimmten Alter keine Lust mehr haben, Kurse mit den Neuen zu besuchen.

    Die Schule hat ein anerkanntes Quailtätszertifikat (ISO, TQM, eduQua) und es gibt einen Qualitätsverantwortlichen, der direkt der Schulleitung untersteht.

    Ja, alles da. ISO-Zertifikat und Drumrum.

    Es besteht ein attraktives Weiterbildugsangebot für Lehrpersonen.

    Ja, das besteht.

    Unter den Lehrpersonen finden pädagogische Konferenzen und Austausch statt.

    Konferenzen sind eingentlich nur Informationsanlässe und haben nichts mit Pädagogik zu tun. Der Austausch ist mehrheitlich freiwillig und darum zu wenig.

    Lehrpersonen besuchen sich gegenseitig im Unterricht.

    Ja, machen wir. Ich mindestens einmal im Jahr.

    Lehrpersonen werden regelmässig im Unterricht durch einen ausssenstehende Fachkraft besucht und beurteilt.

    Nein, dazu gibt es keine Pflicht und kein Konzept. Ich bin eine Ausnahme mit Branchenkunde, ich werde manchmal von Aussenstehenden besucht (von der Gewerkschaft, von Kolleginnen aus anderen Schulen, von Verbandsvertreterinnen). Aber beurteilt werde ich nicht, ausser ich gebe einen Fragebogen ab.

    Alle Beteiligten schätzen ihre eigene Leistung ein.

    Ja, Lehrpersonen neu. Doch bei Lernenden hängt es von der Lehrperson ab.

    Lehrende und Lernende verfolgen ihren Lernverlauf aktiv und ermutigen sich gegenseiteig, Erkenntnisse auf verschiedene Bereiche zu übertragen.

    Hängt allein von der Lehrperson ab, es läuft aber in unserer Abteilung viel Motivierendes.

    Das Beurteilungssystem regt an, sich über Verbesserungen Gedanken zu machen und fördert selbstverantwortliches Lernen.

    Zum Teil. Die Unterrichtsbeurteilung zu Handen der Lehrpersonen auf jeden Fall. Die Notentabellen und Zeugnisse eher nicht, es fehlt die Besprechungszeit. Ich habe schon das eine oder andere versucht, aber es war ein Stress. Ich wünschte mir, die Klassenlehrpersonen hätten pro Jahr einmal eine Lektion für jede Schülerin/jeden Schüler Zeit, eine Standortbestimmung zu machen.

    Die Schule hat eine neutrale Beratungs- oder Fachstelle, die bei Problemen konsultiert werden und für Moderationen zugezogen werden kann.

    Ja, haben wir. Aber sie ist unterdotiert.

    Gute Volksschule

    Die Merkmale guter Schulen beschäftigen mich im Moment sehr und einige andere auch. Darum habe ich wieder das Referenzwerk von Ruth Meyer konsultiert. Die Vorstellungen guten Unterrichts sind widersprüchlich, aber in guten Schulen findet mehrheitlich guter Unterricht statt. Deshalb steht die Checkliste für die gute Schule ganz am Anfang. Ich möchte das zuerst einmal im Hinblick auf die Volksschulklasse vom Kind kommentieren. Morgen komme ich dann selber mit der Berufsschule dran. Die Leitsätze sind frei nach Ruth Meyer und mit Ergänzungen von mir, meine Kommentare sind kursiv.

    Die didaktischen Grundlinien der Schule sind trasparent.

    Ist nicht gegeben. Ich kenne weder die Lernziele noch die Bewertungskriterien. Die Lernziele kann ich mir in Form des Lehrplanes erfragen, die Kriterien der Bewertung bleiben unklar.

    Alle Lehrpersonen kennen die Grundsätze der Schule und können sich mit ihren identifizieren.

    Hier habe ich meine Zweifel, kann aber nicht abschliessend sagen, wie begründet die sind. Wenn ich das Leitbild zitiere, ernte ich allerdings verständnislose Blicke.

    Die Infratstruktur, das Honorar, das Weiterbildungsangebot für die Lehrpersonen, die Zusammenarbeit und die Führungskultur der Schule entsprechen andragogischen (erwachsenenbildnerischen) Leitvorstellungen.

    Die Infratruktur ist teilweise gut, teilweise ungenügend und es ist (auch aus Spargründen) schwierig, dem entgegenzuwirken. Zum Honorar kann ich nicht viel sagen, es sind „normale“ Ansätze, wobei die Kindergarten-Stufe ihre Lohndiskriminierung nur per Klage aufheben konnte. Die Zusammenarbeit ist von aussen betrachtet ungenügend, die Kommunikationswege sind unklar. Diese Meinung teilen aber längst nicht alle. An die Führungskultur hätte ich als Elternteil noch eine Menge Wünsche.

    Die Übereinstimmung mit den Gesetzen, den Lehrplänen und den Ämtern wird sporadisch überprüft.

    Für mich als Mutter gibt es keinen Hinweis darauf.

    Es werden Lehrpersonen mit viel und aktueller Berufserfahrung beschäftigt.

    Viel Berufserfahrung auf jeden Fall, bei der Aktualität bin ich nicht einig mit den Lehrpersonen, wir interpretieren neue Erkenntnisse absolut unterschiedlich, die Literatur zum Thema Mobbing nahezu gegenteilig.

    Die Schule hat ein anerkanntes Quailtätszertifikat (ISO, TQM, eduQua) und es gibt einen Qualitätsverantwortlichen, der direkt der Schulleitung untersteht.

    Gibt es nicht, auch kein parzielles Controlling.

    Es besteht ein attraktives Weiterbildugsangebot für Lehrpersonen.

    Ja, das besteht.

    Unter den Lehrpersonen finden pädagogische Konferenzen und Austausch statt.

    Konferenzen bestimmt, Austausch erlebe ich kaum.

    Lehrpersonen besuchen sich gegenseitig im Unterricht.

    Ich habe es in fünf Jahren Schule vom Kind nur einmal erlebt. Aber er ezählt ja auch nicht alles.

    Lehrpersonen werden regelmässig im Unterricht durch einen ausssenstehende Fachkraft besucht und beurteilt.

    Nein, werden sie nicht. Schulkommissionsmitglieder machen Besuche, aber die Ziele und die Häufigkeit werden nicht überprüft.

    Alle Beteiligten schätzen ihre eigene Leistung ein.

    Nein, höchstens informell. Bei den Schülerinnen und Schülern gibt es unregelmässige Selbsteinschätzungen.

    Lehrende und Lernende verfolgen ihren Lernverlauf aktiv und ermutigen sich gegenseiteig, Erkenntnisse auf verschiedene Bereiche zu übertragen.

    Kann ich nicht beurteilen. Das Kind macht es nur, wenn wir Eltern helfen.

    Das Beurteilungssystem regt an, sich über Verbesserungen Gedanken zu machen und fördert selbstverantwortliches Lernen.

    Nein, auch bei den Lernenden nicht. Da selbst offizielle Elterngespräche nicht protokolliert werden und das Notizen machen jedem selbst überlassen ist, sind die Fortschritte nur im Jahreszeugnis dokumentiert und das reicht nicht für selbstverantwortliches Lernen.

    Die Schule hat eine neutrale Beratungs- oder Fachstelle, die bei Problemen konsultiert werden und für Moderationen zugezogen werden kann.

    Ja, mit der neuen Schulsozialarbeit haben wir hier eine sehr gute Lösung. Allerdings hat sich das noch nicht ganz eingespielt, Moderationen hätte ich zwar schon nötig gehabt, habe sie aber noch nicht bekommen.

    Sein und Bewusstsein

    Herr Rau hat in seinem Blog auf die Erkenntnisse der Freien Universtität Berlin aufmerksam gemacht (draufgekommen ist er via Xenon B.) , was ein guter Lehrer sei und hat darüber reflektiert. Ich habe die letzten Monate so oft reflektiert, dass ich mir jetzt einmal erlaube, das mehr allgemein zu kommentieren, als in Hinblick auf meine persönliche Entsprechung oder mein persönliches Versagen.
    1. Ein professioneller Lehrer wählt seinen Beruf primär in Hinblick auf die Berufstätigkeit, in zweiter Linie aufgrund des Fachinteresses oder aufgrund von Arbeitsmarktbedingungen.
    Hmm. Die Aussage ist nicht besonders glücklich formuliert, deshalb kann ich ihr so nicht beipflichten. Es gibt durchaus professionelle Lehrpersonen, die aus Fachinteresse zum Beruf gekommen sind.
    Aber wenn das bedeuten soll, dass das Lehrperson-Sein das Lehrperson-Bewusstsein bestimmen sollte und nicht das Fachperson-Sein, dann finde ich das auch. Wenn ich zurückschaue auf meine eigene Schulkarriere, habe ich als Schülerin mangelnde Fachkompetenz immer besser kompensieren können als mangelnde soziale oder pädagogische Kompetenz.
    2. Er hat ein mehrfaches Selektionsverfahren und eine professionelle, berufsbezogene Ausbildung hinter sich gebracht.
    Ja, das sollte so sein. Und zwar unabhängig davon, ob jemand quer einsteigt (wie ich zum Beispiel) oder nicht. Natürlich richtet sich die Dauer und Intensität der Ausbildung nach den Anforderungen einer Schule. Einer, der angehende Schreiner in Holzkunde unterrichtet, braucht nicht eine gleich lange Ausbildung wie eine Physiklehrerin eines Gymnasiums. Aber beide brauchen didaktisches Rüstzeug und müssen weitergebildet oder ersetzt werden, wenn sie die Lernziele über weiter Strecken nicht erreichen.
    3. Er nimmt regelmässig an Fortbildungsveranstaltungen teil und befindet sich deshalb auf dem jeweils gültigen Stand fachlicher und berufswissenschaftlicher Forschung, deren Resultate in das berufliche Handeln umgesetzt werden.
    Jawohl. Auch das sollte so sein. Leider widersprechen die Arbeitsumstände diesem Ziel oft. Nicht zuletzt weil manche obligatorischen Weiterbildungen alle über einen Kamm scheren. Ich ärgere mich über den Zeitverlust, wenn ich wieder einen Grundkurs in „wie stelle ich den PC an“ besuchen muss, um ein Informatikzimmer benutzen zu dürfen. Andererseits bräuchte ich mehr Weiterbildung als mir zur Verfügung steht in Sachen Notengebung, vor allem für mündliche Arbeiten. Das muss ich mich vergleichsweise aufwändig von Kolleginnen und Kollegen und aus Büchern zusammensuchen.
    4. Er hält angemessene Distanz zu Schülern und Eltern.
    Ich finde eher, Lehrende sollten mit Lernenden zusammenarbeiten (deren Alter entsprechend natürlich) und deren Umfeld angemessen einbeziehen. Aber das ist realistischerweise nicht immer möglich. Wir sind schliesslich nicht in Finnland.
    5. Er erwartet ein angemessenes Feedback über seine Arbeitsqualität von den Dienstvorgesetzten.
    Ja. Angemessen heisst für mich vor allem regelmässig und dokumentiert und nicht einfach so anfallsmässig dann, wenn gerade wieder irgendwer aus Politik oder Elternrat das gefordert hat.
    6. Er verfügt über die Fähigkeit, gültiges Wissen bei den Schülern entstehen zu lassen und dieses auch begründen zu können.
    Wieder so eine merkwürdige Formulierung. Das Wissen der Lernenden sollte aktuell sein und sie sollten verstehen, warum und wozu sie es brauchen. Wenn Lehrende regelmässig begründen, ist das für alle Beteiligten sinnstiftend.
    7. Er verfügt über technisch kontrolliertes Regelwissen des Unterrichtens und des Erziehens.
    Erstrebenswert.
    8. Er übt seinen Beruf souverän aus, das heißt, er bestimmt selbst den Ausnahmezustand, gegebenenfalls auch mit direktiven Mitteln.
    Ja.
    9. Er ist konflikt- und teamfähig.
    Ja. Eine Lehrpeson ist besonders in diesem Bereich ein Vorbild und hat auch welche, möglichst im Kollegium. Sie schaut nicht auf andere herab.
    10. Er hat eine optimistische Grundeinstellung.
    Auf jeden Fall. Eine Lehrperson soll lächeln, nicht weniger als ein Diamantenverkäufer. Aber das hindert sie nicht daran, klare Regeln in Reserve zu haben und Mittel, diese durchzusetzen. Mir sind Lehrpersonen ein Graus, die immer alles optimistisch sehen, egal ob die Turnhalle auseinander fällt oder die Kinder einander den Kopf abreissen. Aber dafür steht wohl Nr. 8.
    11. Er definiert klare Unterrichtsziele und führt einen klar strukturierten Unterricht durch.
    Unbedingt. Dieses Ziel muss eine Lehrperson vor Augen haben. Aufgrund dessen reflektiert sie über Erfolge und Misserfolge. Die Resultate ihrer Überlegungen bezieht sie ein, wenn sie das Wissen der Lernenden überprüft und die Lernenden beurteilt. Wenn die Lehrperson mit Veränderungen und neuen Verordnungen konfrontiert ist, überprüft sie nicht als erstes, ob sie weniger Lohn oder mehr Arbeit hat, sondern, ob diese Ziele nicht behindert werden und sie den Kurs halten kann.
    Wenn einer Lehrperson das (mehrheitlich) gelingt, dann hat sie auch ein realistisches Verhältnis zu den übrigen 10 Punkten. Und Argumente gegen Lohnabbau und grössere Klassen.

    Lehrlingsauswahl

    Ich habe eine Sondernummer unserer Schulzeitung „Pegasus“ verfasst. Und zwar zum Thema „Lehrlingsauswahl“, was ein ziemlich weites Feld ist. Natürlich geht es um Didaktik, aber die Didaktik im Lehrbetrieb läuft einfach anders als in der Schule. Sicher, es gibt eine Annäherung, weil die Zusammenarbeit auch im dualen System der Lehre mit jeder Reform intensiver wird. Es stehen sich nicht mehr einfach Schulunterricht und Praxiserfahrung gegenüber, viel mehr geht es in beiden Bereichen um Vermittlung und Erfahrung. Deshalb finde ich die Kommunikation zwischen Berufsschule und Lehrbetrieben auch so wichtig.
    Ich habe mich für diese Tipps auf eigene Erfahrungen und die Erfahrungen anderer Ausbildungsverantwortlicher gestützt, sehr wenig auf pädagosiche oder psychologische Erkenntnisse. Ich dachte mir wenn ich zuviel reinpacke, wird das nicht mehr gelesen. Schliesslich stehen die Leute, die ausbilden, häufig auch unter Druck. Sie müssen unbedingt richtig wählen, sie haben vielleicht nicht so viel Zeit für die Auswahl, manchmal sagt auch jemand die Lehrstelle zu und viel zu spät wieder ab, ein anderes Mal fällt die Person aus, die normalerweise die Schnupperlehre durchführt und, und, und.
    Doch ich kann zufrieden sein, die Sondernummer ist gut angekommen, ich habe einige positive Feedbacks erhalten und sogar der Branchenverband hat sich gemeldet und bedankt.