Materialiserung

Es ist schön aber auch etwas unwirklich zu sehen, wie sich etwas, was vor Kurzem noch ein Projekt im Kopf war, materialisiert. Ich kann’s nicht gut erklären. Schön daran ist sicher, dass das Unsichtbare – wie die Arbeit – endlich zu etwas Sichtbarem – einem Ergebnis – führt. Unwirklich wird es für mich da, wo ich Schritte aus der Phase, in der man in Phantomen und Arbeitstiteln gedacht hat, mit der Phase nach der Materialisierung verbinden soll. Ich muss quasi gleichzeitig mit dem Modell und der Realität klarkommen, denn die Projektarbeit läuft ja nun leider nie chronologisch und mit angemessener Vorlaufszeit. Vielleicht wäre es das Beste, sämtliche Modelle aussen vor zu lassen, sobald ein Projekt beendet ist. Andererseits zeigt mir die Erfahrung auch, dass es nicht nur gut ist, die Überlegungen aus der Projektphase beim ersten Widerstand an der Realität über Bord zu werfen.
Wie gesagt, ich kann das Gefühl, nicht richtig zu wissen, wo ich womit stehe, schlecht beschreiben. Bleiben wir daher beim Schönen an umgesetzten Projekten: In den Newsmeldungen „meiner“ kleinen Abteilung Kundendialog ist auf einen Blick erkennbar, wie eine neue Berufsbildung vom Papier in die Realität wandert. Und ich habe richtig Freude am Klassenfoto im Header.

Stellvertreterinnenfreuden

Am Donnerstag und Freitag habe ich zusammengerechnet sechs Lektionen Stellvertretungen. Donnerstags in Deutsch (bin absolut unqualifiziert) und am Freitag in Literatur, Wissenschaft und Kultur (da geht’s qualifikationsmässig einigermassen).
Weil ich nur noch mit knapper Not weiss, was ein Verb und ein Adjektiv ist, mache ich in Deutsch – immerhin saisongerecht – etwas zum Thema Deutschlehrmittel. Ich will mit den Azubis folgenden Fragen nachgehen:

  • Was sind die Kriterien, die eine Deutschlehrmittel gut machen? Oder umgekehrt: Welche Deutschlehrmittel werden auf welcher Stufe empfohlen und eingesetzt und weshalb?
  • Worauf muss die Buchhändlerin besonders achten, wenn sie Deutschlehrmittel bestellt? Wo und bei wem passieren häufig Fehler?
  • Was sind die schwierigsten Kundenfragen in dem Bereich? Was die unerfüllbaren Kundenwünsche?
  • Weshalb gibt es keine Lesebücher mehr?
  • Zu dem Zweck werde ich mindestens drei Lesebücher aus dem letzten Jahrhundert vorstellen. Voraussichtlich:
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    Schulwoche, die erste

    Doch, doch, gut angefangen. Im Buchhandel habe ich wohl alle besonderen Fälle zusammen: Lehrabbruch, geplanter Lehrunterbruch, Wechsel in eine andere Lehre, Wiederholung eines Lehrjahres, Überspringen eines Lehrjahres, Einstieg von Anfang an ins zweite Lehrjahr, Namenswechsel durch Heirat in den Sommerferien… aber ich glaube, ich habe es einigermassen auf die Reihe bekommen. Ich schätze jeweils, wenn ich von den 1000 Fragen in der ersten Woche 500 korrekt beantworte, läuft die zweite auch noch gut. Aber wie oft ich als Abeteilungsleiterin mit Pinwandnadeln, Klebeband, Sonderschlüsseln für merkwürdige Schränke, Kopierkarten, Flipchartrollen, Filzstiften und Magneten rumrenne, ist schon verrückt – zwischen zwei Schulhäusern mit jeweils fünf Stockwerken. Ersetzt immerhin jedes Fitnessabo.
    In der neuen Grundbildung der Fachmänner und Fachfrauen Kundendialog ist es ein wenig einheitlicher. Einzig die obligatorischen, wählbaren Fremdsprachen sind unterschiedlich stark besetzt: Von 18 Lernenden nehmen vier Französich und 14 Englisch. Alle werden die gewählte Fremdsprache auf Niveau B2 mit einem internationalen Diplom abschiessen. Von 18 haben 15 eine andere Muttersprache – das heisst, weder Deutsch, noch Englisch, noch Französisch. Eine logische Überlegung bei der Rekrutierung dieser Azubis – so haben diese jungen Leute am Ende einer dreijährigen Lehre drei Sprachen in Ohr und Mund: Muttersprache (z.B. Albanisch, Türkisch, Kroatisch, Spanisch, Italienisch) + Deutsch + Englisch/Französisch. Ralistischerweise werden die schriftlichen Kenntnisse der Sprache etwas weniger gewichtet.
    Doch – aufs Ganze gesehen ein sehr erfreulicher Start. War heute lange im Büro und in der Waschküche und gähne die ganze Zeit. Lese höchstens noch ein wenig Zeitung und spiele ein paar Runden Fruit Ninja.

    Back@work

    555 Fotos laden sich geduldig von meiner Canon auf das externe Laufwerk – endlich. Seit einer Woche bin ich schon zu Hause, aber ziemlich steil wieder eingestiegen. Ich weiss, dass heute kein Mensch mehr Stellvertretungen hat, aber mit dem Riesengebirge hatte ich doch nicht gerechnet. Sogar die Schneckenpost türmte sich kistenweise und ich brauchte lange, bis ich die Anfragen gefiltert und die Ansprüche gruppiert hatte. Selber blöd, schliesslich kriege ich einen neuen Job nicht meiner Ausbildung oder meines Lebenslaufs wegen, sondern immer nur weil jemand mir zutraut, dass ich im kalten Wasser nicht untergehe (oder niemand anderes den Job will).
    Nachdem ich mich also nach drei Wochen Freiluftferien von Montag bis Donnestag im Schulhaus eingesperrt hatte, folgten am Freitag die grossen und kleinen Konferenzen und das traditionelle Nachtessen mit allen aus Verwaltung und Kollegium, die Lust dazu hatten. Die meisten hatten gute Laune und es wurde ein gelungener Start ins neue Schuljahr. Aber am meisten freue ich mich auf die neuen Lernenden! 36 angehende Buchhändlerinnen und Buchhändler und 18 Fachleute Kundendialog werden neu unter meine Fittiche kommen, dazu werden über 1000 neue Kauffrauen und Kaufmänner unsere Schule bevölkern. Verwalten ist nötig, aber ich bin jedes Mal nach den den Ferien froh, wenn ich den Grund dafür wieder vor Augen habe, die Azubis im Lift johlen, auf dem Gang lachen und in der Toilette schimpfen höre.

    Gefeiert!

    Die Anlässe der letzten Woche sind alle sehr gut verlaufen. Unsere Abschlussfeier war wunderschön. Das ist hauptsächlich der grossen Beteiligung der frischen Buchhändlerinnen und Buchhändler zu verdanken:

  • Zwei haben Musik (Gitarre und Gesang) aus Eigenkomposition dargeboten
  • Für zwei scheidende Lehrer hat eine der Abschlussklassen ein selbst gedichtetes Lied gesungen
  • Drei Diplomandinnen haben sehr originell aus dem Alltag der Buchhändlerin erzählt und
  • alle haben uns Lehrerinnen und Lehrer reich beschenkt, ich habe neben dem Buch noch einen kleinen Birnbaum bekommen.
  • Fotos folgen (die aus der Prüfungsbuchhandlung sind schon da). Die Bilder der Abschlussfeier(n) sind schön geworden, aber wir müssen noch lange sortieren und dann geordnet hochladen. Denn von unserer ganzen Schule zusammen sind über 1000 Bilder zu sichten, dies obwohl der Fotograf bereits eine Vorselektion vorgenommen hat. Unsere Diplomierungen in der letzten Schulwoche haben eine enorme Dimension, neben den kleinen Berufsgruppen wie Buchhändlerin und Drogistin erhielten auch 900 Kaufmänner und Kauffrauen ihr eidgenössisches Fähigkeitszeugnis.
    Meine Anspannung ist vorbei, was sich in einem wochenendlichen Arbeitsanfall äussert. Seit gestern habe ich Berge von Dingen erledigt, von denen ich gar nicht mehr zu hoffen gewagt hätte, dass ich ihnen noch Herrin würde. Aber die Vorstellung, wenig oder gar nichts ausser guten Wünschen, ein paar Büchern, Tüchern und einem Bikini in die Ferien mitnehmen zu müssen, ist ein guter Antrieb.
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    Anlässe: Blick zurück nach vorn

    Die Zeit vor den Sommerferien ist voller gesellschaftlicher Anlässe:
    Hinter mir liegen die Verabschiedung eines Vereinsmitgliedes letzten Dienstag, der erste gemeinsame Anlass mit dem Kollegium für die neue Lehre letzten Mittwoch, die Verabschiedung meines ehemaligen Chefs (mit beeindruckender Aussicht auf den Murtensee) am Donnerstag, ein Treffen zwecks Planung einer goldenen Hochzeit am Freitag und ein spontaner Grillabend im Schulhausgarten des Quartiers am Samstag. Das war ein wenig viel aufs Mal, aber lustig.
    Vor mir liegen das Geburtstagsfest meiner Mutter morgen, die Abschlussfeier der frischen, neuen Buchhändlerinnen und Buchhändler am Dienstag, die Diplomfeier der Kaufleute und die Verbandsfeier (150. Jahre KV Bern) am Donnerstag und das Geburtstagsfest der Schwiegermama am Freitag. Ich freue mich auf alles, doch die Abschlussfeier der Abteilung Buchhandel ist natürlich mit Lampenfieber verbunden. Ich organisiere das ja selber und bin deshalb besonders darauf angewiesen, dass hier alles rund läuft und Menschen und Dinge zur richtigen Zeit am richtigen Ort sind.

    Fledermaus & Pegasus

    Morgen beginnt die letzte Schulwoche für unsere Abschlussklassen. Für mich bedeutet das, dass ich nach elf Jahren die letzten Unterrichtsstunden in „Betriebs- und Verkaufskunde“ erteile. Danach gebe ich nur noch Stunden in einem im Zuge der Reform neu entstandenen Fach. Schon vergangene Woche konnte ich Abschied üben, denn meine Donnerstags-Klasse sah ich bereits zum letzen Mal (weil ja nächsten Donnerstag ein Feiertag ist). Von diesen Azubis habe ich ein rührend passendes Kinderbilderbuch bekommen: Der Fledermausbuchhändlerin Cölestine gelingt es jeden Tag, ihre Kundschaft mit dem passenden Buch aus dem Alltag in andere Welten zu führen. Sie parliert, hilft, ordnet, bestellt und staubt zwischendurch ihre Pegasus-Statue ab, und abends veranstaltet sie auch noch Lyriklesungen mit Musikbegleitung. In der Nacht dann wird der Pegasus lebendig, und sie fliegen zusammen zum Fenster hinaus dem Mond entgegen.
    Widmung der BH3B 2011

    Rückblick auf KW 18

    (Auch nach 12 Jahren Schule gewöhne ich mich nur langsam an Kalenderwochen.)
    Diese Woche konnte ich alle meine (eins, zwei, drei) Jobs voll ausleben.
    Montag: Hatte ich eine lange Abteilungsleitersitzung, die ich vorzeitig verlassen musste weil ich Unterrichtet in zwei Klassen des 2. Lehrjahr hatte. Zum Glück machten die Azubis das meiste selber, im Moment refereieren sie über einen Prozess in ihrer Buchhandlung (Notenarbeit). Dieses Mal waren es Remittenden (Rücksendungen von Büchern zur Gutschrift). Für den Abend hatte ich einen kleinen, aber feinen Anlass für die erste Klasse, die den brandneuen Fachausweis Buchhändler/in machen wird, organisiert. Diese Pionierinnen – ein Pionier ist auch dabei – besuchen im Moment Module in verschiedenen Detialhandelsschulen. Sie werden erst 2012 für das letzte, buchhandelsspezifische Modul zu uns kommen, aber ich wollte die Klasse trotzdem einmal sehen und fragen, wie es ihnen geht. Es ist eine tolle Gruppe. Die meisten nehmen die Tatsache, dass ihre jetzigen Dozenten keine Ahnung vom Buchgeschäft haben, locker. Sie lernen motiviert die Bugetierung für Gartenbedarf im Aussenbereich oder befassen sich mit den Herausforderungen der Führung multikultureller Teams in Früchte- und Gemüserayons.
    Dienstag: Ordnete ich mit einer Klasse des dritten Lehrjahres das Sortiment der Prüfungsbuchhandlung Futura fertig ein. Wir setzten die Preise fest und schrieben die Warengruppen an, denn tags darauf war der erste Testlauf geplant. Mittags machte ich die Nachbearbietung zum Anlass vom vorherigen Abend (danken, Fragen klären, Chef informieren etc.). Dann wechselte ich wieder zur Grundbildung – diesmal zu der neuen für die Fachleute Kundendialog. Hier stand die Vorbereitung für die letzten zwei Bewerbungsgespräche (von Fachlehrpersonen) an. Dabei schloss ich erstmals in dieser Woche meine Bürotüre, um ungestört zu sein. Leider vergass ich das Telefon umzuleiten und hatte deshalb noch einen schwierigen Anruf zwischendrin.
    Mittwoch: Morgens um 8:00 Bewerbungsgespräch für einen neue Fachlehrperson aus dem Callcenter, danach letzte Vorbereitungen für den nachmittäglichen Testlauf der Azubis in der Prüfungsbuchhandlung. Kurz darauf ein Kapitalfehler: Ich beschloss, endlich wieder einmal eine normale, stündige Mittagspause mit abgestelltem Handy zu machen. Das entpuppte sich als freudsche Angelegenheit, denn es hätte für Mittag gar nicht gereicht. So kam ich nicht nur zehn Minunten zu spät zur Testprüfung, sondern liess meine Kollegin das Schulzimmer alleine umbauen. Zudem musste sie noch herumrennen und mich suchen, was mir furchtbar peinlich war. Die Testprüfung gelang trotzdem und die Azubis waren dafür dankbar. Abends habe ich das Schulzimmer alleine wieder in seinen ursprünglichen Zustand geräumt – immerhin.
    Donnerstag: Morgens um 8:00 Bewerbungsgespräch wie am Vortag, nachfolgend Sitzung für die Entscheidung und kurz darauf Information an alle internen Stellen. Danach zwei Telefonsitzung in Sachen Organisation der Abschlussfeier der Buchhändlerinnen und Buchhändler im Juli 2011 sowie Nachholtesttermine. Nachmittags Testlauf mit der zweiten Klasse des dritten Lehrjahres – dieses Mal ohne Verspätung, weder beim Umbau des Schulzimmers noch bei der Testprüfung selber. Abends wegen Demonstration fast eine Stunde Verspätung bei der Heimreise mit dem Tram – bzw. zwei Kilometer zu Fuss.
    Freitag: Ein Arbeitszeugnis schreiben, Notizen eines Austrittgespräches verarbeiten, drei Gespräche mit Lernenden des Buchhandels führen und je ein Telefonat mit einer Lehrfirma Buchhandel und Callcenter. Nachmittags Unterricht im ersten Lehrjahr Buchhandel mit dem enorm spannenden Thema Abschreibungen auf Büchern und dem Zusammenhang Warenwirtschaft und Bilanz. Aber die Azubis waren willig, ausser, dass in einer Klasse 100% ihre Hausaufgabe nicht gemacht hatten. (Wenn Hausaufgaben nicht benotet werden, werden sie in der Berufsfachschule nur von wenigen erledigt, damit muss ich leben.) Am Ende des Arbeitstages Freude über die Nachricht, dass die fotografische Autorenleistung von Stephan Vanfleteren im Ungerer-Du mit dem Nannen-Preis ausgezeichnet wurde. Ich hatte gehofft, diese grossartige Leistung beider Künstler – dem portraitierenden und dem portraitierten – nicht zu schnell in Vergessenheit geraten möge.
    Heute mache ich das bisschen Haushalt und schreibe ein Strategiepapier, das ich nächste Woche abgeben muss. Motivationsprobleme für beides sind offensichtlich – sonst würd‘ ich ja nicht bloggen.