Geduld

Wandtafelnachricht zum Test
Gestern hatten die Lernenden des ersten Lehrjahres bei mir Test. Da Vorbildung und Geschwindigkeit innerhalb der Klassen sehr variieren, mache ich mit ihnen jeweils eine Abgabezeit aus. Bis zu diesem Zeitpunkt erwarte ich, dass es mucksmäuschenstill ist, damit die, die Zeit brauchen, diese ungestört nützen können. Wer fertig ist, kann ein (gedrucktes) Buch lesen, jedoch kein Schulbuch ausser Lektüre aus Literatur, Wissenschaft und Kultur (sog. LWK). Gestern sind einigen beim Warten fast die Augen zugefallen. Deshalb habe ich die Regel (wortlos) ergänzt. Die Klasse hat gelacht und jemand hat sich beim Hinausgehen sogar die Mühe gemacht, zu kommentieren (analog! Mit Kreide!).
Abends auf dem Nachhauseweg las ich in einer zerfledderten Gratiszeitung, dass sich Azubis von ihren Ausbilderinnen und Ausbildern vor allem Geduld wünschen. Ich weiss, solche Befragungen sind oberflächlich, aber ich glaube, hier stimmt’s. Wenn sie nicht geheuchelt ist, steht Geduld für Akzeptanz. Sie ist Ausdruck von Verständnis. Wer sie bekommt, kann sie besser aufbringen.

Statusmeldung Lehrverhältnisse

Der Schulstart ist bis jetzt erfreulich verlaufen. Von den 35 Lernenden, die im August die Lehre begonnen haben, sind noch 33 da, sie haben heute aufgeräumt und gut gelaunt wieder mit der Schule begonnen. Auch wenn man es sich wünschte, ist es nie so, dass 100% von den Azubis das erste Jahr auch wirklich beenden. Alle Seiten bemühen sich aber sehr darum, dass die offenen Fragen und Motivationsschwierigkeiten in dieser Zeit geklärt werden und Lehre nicht erst im zweiten oder schlimmstenfalls sogar dritten Lehrjahr abgebrochen wird.
Im Buchhandel werden die Lehrstellen später besetzt als in anderen Berufen, die Rekrutierungsphase hat jetzt so richtig begonnen und wird erfahrungsgemäss bis Juni anhalten. Trotzdem muss ich aber schon alle Stundenplaneingaben machen, mich bei Personal- und Zimmerbedarf festlegen und den Lehrpersonen bis im April sagen, welches Pensum sie im kommenden Schuljahr haben werden. Jetzt, mit ein paar Jahren Erfahrung, kann ich in der Abteilung Buchhandel gut damit leben, dass viel von meiner Prognose abhängt. Aber in meiner neuen Abteilung Kundendialog mit einem ganz neuen Beruf bleibt das ein Stressfaktor.

Buchmesse: Rückblick 2011

Meine Buchmesse war schön: Ästhetisch, sozial und offen. Das sind für mich messbare Messequalitäten. Punkto Ästhetik spielt Frankfurt ohnehin in der ersten Liga. Man sieht schlechteren Messen an, was für eine enorme Leistung es braucht, um aus dem Auftritt vieler einen brauchbaren Gesamteindruck zu machen. Dazu gehören auch Beschriftungen, Wegweiser, Standnummern, der Umgang mit leeren Ständen und Neuausstellern, die Website, die Online-Orientierung während die Messe läuft. Das alles hat die Frankfurter-Buchmesse-Leitung besser im Griff als alle anderen, die ich kenne (und ich liebe Messen – sie sind für mich die Quintessenz des Marktes). Vitaler Bestandteil des diesjährigen gelungenen Auftrittes war der Ehrengast Island. Die hatten eine Strategie, die verdammt viel wegliess und gerade deswegen in sich absolut schlüssig war. Alle Autoren präsentieren? Oder nur die Berühmten, Übersetzen, die Exoten, die Genehmen? Andere Künstler auch? Und den Tourismus ankurbeln? Fragen, die sich jedes Gastland stellt und die Island perfekt beantwortet hat: Island verpflichtete sich in seiner Ausstellung dem Bücherlesen und Vorlesen und der Landschaft, die Isländerinnen und Isländer dazu animiert. Islands Bücher wurden in der in die Ausstellung integrierte Freihandbibliothek präsentiert: Thematisch, aber in allen Übersetzungen. Ich nehme an, Presse und TV haben so positiv wie alle auf Island reagiert und ich brauche hier nichts Genaueres zu beschreiben? Wenn doch, mache ich das gern auf Wunsch.
„Buchmesse: Rückblick 2011“ weiterlesen

und jetzt Messe!

Programm, Klassenlisten, Visitenkarten, Business- und Reiseklamotten, Ladegeräte, Notebook, Bücher und Literaturbeilagen zum Lesen auf der Hinreise pipapo – schon fast alles parat. Und wenn die Welt noch in Ordnung ist auf den Zug nach Frankfurt. Dieses Jahr reisen vier Begleitpersonen mit fast 80 Lernenden, was einmal mehr unser grosses Vertrauen in den Nachwuchs beweist, der des Nachts statt Clubs Lesungen besuchen wird, wobei man – ich gestehe es – zu Messezeiten beides nicht immer zweifelsfrei unterscheiden kann.
By the way: Orell Füssli made my day! Die Buchhandlung bewarb im heutigen Kundenmailing die Steve-Jobs-Biographie…
Jobs-Biographie-Mailing
„und jetzt Messe!“ weiterlesen

Schön gemacht

Die Islandseite unserer Lernenden in der Fachpresse. Ich habe volles Vertrauen, dass solche Buchhändlerinnen nach der Lehre geschmackvolle Onlineshops hinbekommen. Darum geht’s nämlich. Auch in Hamburg, wo die vor drei Jahren wider aller Vernunft gegründete Online- und Offline-Buchhandlung Stories! auf November eine weitere Filiale eröffnet. Ist das Buch am Ende doch nicht tot? Aber Steve Jobs. Überall und sogar aus der Buchbranche wird einem Visionär Respekt gezollt. Noch lebendig ist Umberto Eco. Sein Verleger stellt den neuen Titel (erscheint am Samstag) persönlich vor. Der klingt dabei wie ein alter Dozent meiner Buchhändlerschule: Eine Nachricht aus einer fernen, analogen Zeit, in der Lehrer mit Gesten und Worten versuchten, Bilder im Kopf der Schüler zu erzeugen.

Nachtrag: Der hierzulande unbekannte Lyriker Tomas Tranströmer kriegt den Literaturnobelpreis. Wieder einmal Hanser, siehe oben.

Bekenntnis-Kult

Anfang Jahrtausend gab’s in der Schweiz das Magazin „kult“, vielleicht erinnert sich jemand. Die Auflage war vergleichsweise hoch, denn „kult“ wurde an „ausgewählten Kultstätten“ gratis abgegeben, so auch in der Buchhandlung, in der ich damals arbeitete. Das Magazin baute auf Werbung und die Zielgruppe wurde gleich im Impressum definiert:

Vorwiegend ausgeh- und konsumfreudige 18-38jährige Leserinnen und Leser, aber auch ausnehmend viele Prominente, Medienschaffende, Werber und Szeneleader oder anders ausgedrückt: Die für die breitere Masse Jugendlicher als Vorbild dienenden Vorreiter und Opinionleader in den verschiedensten Bereichen des täglichen Lebens.

Ich mochte die Zeitschrift, weil ihre Autoren gegen jede Art von Bigotterie anschrieben und nicht selten das Gegenteil vom Medienmainstream. Einige von ihnen publizierten schon damals in bekannten Magazinen (z.B. Henrik Broder oder Viola Roggenkamp), andere sind seither berühmt geworden (z.B. Wiglaf Droste, Sibylle Berg, Else Buschheuer).
Warum ich drauf komme? „kult“ war das erste mir bekannte Magazin, das 2.0 versuchte, wie’s ab da im Netz üblich wurde und heute zu jeder Gratiszeitung dazu gehört. Zum Beispiel Verschiedensten die gleichen Fragen stellen war kultig, „Ist es wahr, dass der Sex mit Italienern besser ist?“ und sowas halt.
Unter anderem gab es in „kult“ eine Rubrik Was-ich-mag-und-was-ich-nicht-mag. Das war immer eine Seite à zwei Spalten pro Heft, die irgend einem, der für die Schweizer Szene grad relevant schien, zur Verfügung gestellt wurde. Ob es sich nun um einen DJ handelte oder um eine Werbefotografin, die Rubik war beliebt, der Antrieb, originell zu sein, entsprechend.
Ich weiss nicht ob es einen Zusammenhang hat oder Zufall war, jedenfalls nutzte eine unserer Deutschlehrerinnen diese Bekenntnisse für die Vorstellungsrunde der Azubis am Anfang der Lehrzeit. Seither wurden unsere Neuen immer wieder gebeten aufzuschreiben, was sie mögen und was nicht, so auch dieses Jahr. Doch war’s heuer das erste Mal, dass die Azubis und Lehrerinnen und Lehrer zum Mitmachen aufforderten.
Deswegen brüte ich nun also über Confessions in Keywords. (Ausgerechnet ich, die ich noch nie ein Stöckchen gefangen, nach einem Jahr entnervt zu twittern aufgehört habe und ganz allgemein mit Stichwortaufforderungen wenig anfangen kann, womit ich immerhin schon ein Bekenntnis hätte.) Zum Glück fahre ich ein paar Tage nach Italien. Eine passende Destination zum Nachdenken. Und Bekennen.
Ci vediamo!

Erste Male

Ich verliess ein so richtig zettelverklebtes Büro wie ich mir früher vorstellte, dass es unfähige Beamte haben. Und ich hasse es genug, um morgen noch einen Zettel-Abtrag-Tag einzulegen.
Das war eine ereignisreiche Woche, vieles war
zum ersten Mal
führte ich an der Schule ein Tagesprotokoll von morgens um 07.30 bis abends um 19.00. Die Notwendigkiet war mir bisher nur aus anderen Institutionen bekannt, in denen ich gearbeitet habe, zum Beispiel in Heimen für Menschen mit Behinderung. Aber neue Herausforderungen bergen immer auch neue Anforderungen.
machte ich einen Unterrichtsbesuch über ganze drei Lektionen, was sich als unerwartet sinnvoll erwies. Denn eine Lektion kann harmonisch wirken, die nächste leicht angeknackst und wer dann noch eine Stunde länger bleibt, dem offenbaren sich die Probleme.
war ich im Wartsaal. Eine Neueröffnung junger Weggefährten mit pragmatischen Einstellung zur Ausgabebereitschaft bewegter Freundinnen und Freunde. Literatur, Tee, Kaffee, Wein und Bier – ein Plättli und ein Teller Pasta. Alles was es braucht, sowohl zum Arbeiten wie zum Freizeiten.
Olander aus dem Sonderangebot
blüht der Oleanderstock, den ich in Eile und mehr aus Verlegenheit im Sonderangebot des Supermarktes gekauft hatte, um der Prüfung und Prüfungsbuchhandlung im letzten Juni neben all der Druckfarbe noch ein klein wenig pflanzliche Farbe zu verleihen.

Schulwochenende

Gesternabend habe ich etwas gemacht, was ich nie zuvor gemacht habe: In einem Aufzug voller Azubis zu meiner Kollegin gesagt, dass das eine richtig beschissene Woche gewesen sei. Natürlich habe ich mich bei den Anwesenden entschuldigt und versichert, dass es mit ihnen nichts zu tun hätte. Einer antwortete, dass sie wohl dem einen oder anderen Lehrer ebenfalls eine beschissene Woche beschert hätten, die anderen nickten.
Auch wenn es sich an unserer Schule nicht gehört, derartiges zu äussern: Vielleicht schadet es gar nicht, wenn die Lernenden ab und zu einmal merken, dass sich hinter der Projektionsfläche Lehrperson ein Mensch verbirgt.

BAM 2011

Die nächsten Tage bin ich an der Berufsbildungsmesse. Ich werde morgen Achtklässlern aus dem ganzen Kanton erklären, was eine Buchhändlerin den lieben langen Tag macht, dass sie eher drinnen als draussen arbeitet, dass sie mehr mit Menschen und weniger mit Tieren zu tun hat. Dass sie einen PC braucht und ausser Kisten heben keine Schwerarbeit verrichtet. Die Fragen kommen aus einem Fragebogen, den die Jugendlichen im Rahmen der Berufswahl ausfüllen müssen. Am Wochenende berate ich dann mehr die Eltern, die sich Sorgen machen, dass die Tochter Buchhänderlin werden möchte, obwohl die doch nichts verdienen und am Ende ohne jede Sicherheit dastehen, weil „gerne lesen“ weissgott nicht reicht fürs Leben. Ich freue mich sehr! Ich liebe Messen (Nomen es omen).
Der deutsche Berufsfilm über die Buchhändlerin von 2010 ist zwar wenig originell, aber genau deswegen sehenswert für junge Leute, die sich für den Buchhandel interessieren. Er zeigt, was eine durchschnittliche Ausbildung so beinhaltet. Gedreht wurde in einer Filiale des Hamburger Traditionshauses Heymann.
So long!

Geschafft!

Abteilung Kundendialog: Ich habe die Klassenfotoliste der neuen Klasse fertig, sieht schön aus! Ist für die Klasse, die Lehrpersonen und die Lernplattform gedacht. Es war eine Zangergeburt, denn jemand fehlt ja immer und den anderen gefällt das Foto nicht so ganz und die Bildbearbietung kostet halt auch Zeit und Nerven.
Abteilung Buchhandel: Der Pegasus 104 ist fertig (32 Seiten, uff). Dabei dachten wir schon bei der ersten Nummer, es sei demnächst aus mit Buchhandel.
So ist’s recht angenehm, zu Bett zu gehn.