Pfingstwochende

Über Pfinsten habe ich viel von Hand gemacht, konnte gerade nicht mehr mit Computer. Das war sehr erholsam und dass ich heute eine Menge Belistiftgekritzel abtippen muss, stört mich nicht. Ich habe vor allem den Vergleichtest eines ganzen Jahrgangs korrigiert, der gut ausgefallen ist. Es ging um die beiden Buchhandels-Themen „Remission“ und „Inventur“. Remission ist etwas Spezifisches, das im übrigen Detailhandel nicht üblich ist. Es bedeutet die Rücksendung von Büchern an den Lieferanten zur Gutschrift. Diese Regelung gewährleistet, dass die Buchhandlungen eine akutelle Auswahl haben, aber ohne den permanent Ausverkaufsdruck und das entsprechend mühsame Pricing.
Ob und wie viel ein Buchhändler remittieren darf und wie hoch seine Gutschrift dabei ausfällt, ist dieversen Regeln unterworfen, die Jungbuchhändler eben lernen müssen. Und Inventur gehört ja auch zu den Arbeiten, die Buchhändlerinnen am Lager verrichten. Deshalb ist es methodisch-didaktisch sinnvoll, das in der Berufsfachschule gleichzeitig zu vermitteln. Die einzige Hürde für die Azubis ist dabei, dass das verschiedene Perspektiven erfordert: Ein Buch, das seit einem Jahr am Lager steht und danach – glücklicherweise! – noch zum vollen Preis von CHF 28.00 verkauft wird und deshalb CHF 28.00 Umsatz bringt, ist hächstens noch mit dem Inventarwert von CHF 14.00 in der Buchhaltung. Wenn die Buchhändlerin es aber nach einem Jahr an den Lieferanten remittiert, bekommt sie dafür noch eine Gutschrift von CHF 12.00, obwohl sie es für CHF 17.00 eingekauft hat.
Diese Sachverhalte in der Schule so zu erklären, dass ein Fünftel der Lernenden es verstehen, dauert vielleicht eine halbe Stunde, einige kennen das ja von der Lehrfirma schon gut. Damit es der Mehrheit klar ist, brauche ich ungefähr 300 Minuten pro Person. Davon sind 230 Minuten Unterricht in Globo (Lehrgespräch, Gruppen, Übungen) und 30 Minuten individuell, also mündlichen Erklärungen gegenüber Einzelnen und Korrektur. Ich schreibe bei den Testkorrekturen Kommentare und nicht nur Punkte hin, deswegen ist die Korrektur für mich gleichbedeutend mit individueller Erklärung.
Ich hoffe, alle hier Lesenden hatten ein gutes Pfingstwochenende, wenige Sonderschichten und Nachtdienste. Guten Start in die Woche!

Feststellung

Aus noch nicht fertig analysierten Gründen bin ich diesen Mai in Juni-Stimmung, das bedeutet: am Rand (unschwer erkennbar an den jämmerlichen Blogbeiträgen). Es war immer eine harte Zeit wenn Stundenplanung, Personaleinsatz, Neuanmeldungen, Abschlussreise, Prüfungsvorbereitung, Planung der Abschlussfeier und Kaderanlässe aufeinander prallten. Aber irgendwie lief’s. Heuer auch, bloss steht der prüfungsreiche Juni noch bevor.
Ich bin sicher, es ginge besser, wenn ich lesen könnte. Aber ich schlafe immer ein dabei! Vielleicht muss einem im Leben einfach einholen, worüber man insgeheim immer den Kopf geschüttelt hat: Zum Beispiel wenn ein Büromensch bedauernd erklärte, er lese eben keine Bücher, weil ihm die Zeit dazu fehle und er zudem abends so müde sei, dass er höchstens ein paar Seiten schaffe, den Zusammenhang verliere und damit auch die Lust.

Nachtzug nach Amsterdam

Vor einer Wochen haben die praktischen Prüfungen begonnen. Sie finden erstmals in den Buchhandlungen (und nicht mehr in der Schul-Buchhandlung) statt. Letzten Freitag habe ich über zwei Stunden eine ganze Prüfung (mehrheitlch fotografisch) dokumentiert und mit Freude festgestellt, dass wir wirklich ein gutes Drehbuch und einen passenden Zeitplan haben. Morgen sind noch einmal zehn Prüfungen, danach sind wir fertig.
Selber hatte ich keine Einsätze, meine grösste Herausforderung (als Chefexpertin) war die Verfügbarkeit. Als Ansprechperson für Lehrbetriebe, Expertinnen und die Lernenden hätte ich einfach weniger anderes zu tun haben sollen. Aber der Schulbetrieb lief völlig normal, zudem mussten Stundenplan und die schulischen Prüfungen fertig werden. Ich lief manchmal derart auf dem Zahnfleisch, dass ich mir während meines Unterrichts Dextro Energy verabreichen musste. Immerhin hatte ich stets genug dabei, um den Schülerinnen und Schülern auch davon abzutreten. (Klingt wie Werbung, aber das war einfach, was unsere Mensa führte.)
Morgen also noch einmal wie oben, am Dienstag dann eine andere Rolle, nämlich lauter Kadertermine. Abends ein willkommener Wechsel, denn dann steige ich mit einer unserer Abschlussklassen in den Nachtzug nach Amsterdam.
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Theaterliches

Die ersten drei Wochentage waren hier dramatisch:
Am Montag hat unser Theaterfreifach zum „Abend der offenen Kellertüre“ eingeladen. 12 junge Leute haben fast ein Jahr an den Improvisationen gearbeitet, immer in ihrer Freizeit, das meiste selbst geschrieben, einige Szenen sogar vollständig. Sie haben neben Schule und Arbeit Nachtschichten eingelegt, Krisen überwunden, Kostüme mitgebracht, CDs gebrannt, die Bühne – die nichts als ein spnnateppich belegter Kellerboden ist – zig Mal umgebaut. Das, was man der „heutigen Jugend“ eigentlich gar nicht zutraut. Wunderbar!
Und ich hatte je drei Lektionen Stellvertretung in zwei Klassen, die mich sonst nur eine (sehr straffe) Lektion vor der Nase haben, was beidseitige Umgewöhnung erforderte. Zumal ich versuchte, das Programm des Deutsch- und Literaturlehrers beizubehalten: Zuerst eine Lektion Haupt- und Nebensätze und dann zwei Lektionen Shakespeare: Romeo und Julia. In solchen Momenten bin ich der Steinersuche für die elenden Theaterproben und Rezitierereien verdammt dankbar.
(Und wie saumässig sich der alte Capulet seiner Tochter Julia gegenüber benommen hat – das hatte ich ganz vergessen. Also, wer in Sachen Vaterehre in Form Töchterjungfräulichkeit einmal etwas anderes lesen möchte als die deutsche Presse, der führe sich Romeo und Julia, dritter Akt zu Gemüte.)
Theatergarderobe vom 30.4.2012

Ein Merkblatt, das mir fehlt

Dafür, dass ich in einem friedlichen Rechtsstaat mit paradiesischem Anstrich arbeite, bin ich doch oft mit Gewalt konfrontiert. Bei meiner Erwerbsarbeit ist es am häufigsten autoaggressives Verhalten, bei meiner ehrenamtlichen Arbeit häufiger familiäre Gewalt. Aber ich habe in beiden Tätigkeitsfeldern schon beides erlebt.
Deshalb kenne ich zu der Gewalt-Thematik verschiedenste Merkblätter aus mindestens 20 Jahren. Zur Zwangsheirat zum Beispiel sind im Kanton Bern gerade wieder neue Leporellos erschienen (rechte Spalte), die ich bestellt habe, weil sie mir treffend scheinen. Zu Mobbing und Vergewaltigung gibt es ebenfalls gute Unterlagen für Jugendliche. Natürlich gibt es auch Merkblätter zu Gewalt. „Was tun bei Gewalt“ ist in den meisten Kantonen vorhanden und in zig Sprachen übersetzt. Aber diese Merkblätter setzen voraus, dass Menschen Gewalt als Delikt wahrnehmen. Mir ist noch nie eines begegnet, das ganz einfach darauf eingeht, dass Gewalt verboten ist. Ich wünschte mir vor allem für Schulen ein Merkblatt, das in einfacher Art (vielleicht auch mit Emblemen?) Folgendes aufzeigt:

  • Das Gesetz verbietet, dass jemand geschlagen und missbraucht wird. Wer jemanden schlägt oder missbraucht oder beides, kann hart bestraft werden. Wer geschlagen oder missbraucht wird, kann den Täter anzeigen, auf jedem Polizeiposten dieses Landes. Opfer haben ein Recht auf Hilfe, auch das steht im Gesetz.
  • Manche Täter wissen nicht genau, dass es dieses Gesetz gibt. Zwei Beispiele: Täter aus der Familie denken, das Gesetz gelte in der Familie nicht. Leute aus anderen Ländern meinen, das Gesetz gelte für sie nicht, weil sie in ihrem Heimatland ein anderes Gesetz kennen gelernt haben. Sie liegen beide falsch. Das Gesetz gilt für jeden und jede.
  • Die meisten Täter kennen das Gesetz. Und sie haben Angst davor. Täter wie zum Beispiel Schläger sind ja Feiglinge. Deshalb drohen sie dem Opfer mit Strafen, die für das Opfer noch schlimmer sind als die Schläge. Und darum schweigen die Opfer. Sie leiden still, werden verunsichert und krank, ihre Freunde werden immer hilfloser, ihre Beziehungen gehen kaputt, sie verlieren ihre Zukunft.
  • Das dient dem Täter und schadet ALLEN anderen Menschen. Deshalb sagt unser Gesetz: Gewalt richtet einen so grossen Schaden an, dass jeder, der etwas solches beobachtet, eine Meldung machen kann. Bei den Schulen ist es sogar so, dass sie es melden müssen, wenn sie bemerkten, dass jemand gefährdet ist.
  • Schulen, die eine Gefährdungsmeldung machen, handeln aus SORGE. Aber sie handeln auch, weil es ihre PFLICHT ist.
  • Ich glaube, dass vieles einfacher würde, wenn wir in den Schulen so etwas abgeben könnten.

    Erledigt…

    im Wortsinne. Mithilfe unseres Sekretariates habe ich heute von früh bis spät Prüfungsunterlagen für Expertinnen und Experten produziert und kommissioniert. Die engagierten Buchhändlerinnen und Buchhändler, die dieses Ehrenamt wahrnehmen, werden parktische Prüfungen in den Buchhandlungen durchführen. Von der Prüfungsbuchhandlung Futura haben wir uns 2011 verabschiedet und das ist gut so. Aber die Arbeit wird nicht weniger, sie fällt einfach an anderer Stelle an. Aber – Alter sei Dank! – ich habe es mir ungefähr so gedacht. Hier, was wir heute für jeden Experten/jede Expertin versandbereit gemacht haben, note2myself:

  • Persönlicher Einsatzplan
  • Personalienblatt der Schulverwaltung
  • Abrechnungsformular der Verbandsprüfungskommission
  • Wegleitung
  • Prüfungsaufgaben pro Prüfungspostition
  • Bewertungsblätter/Protokollraster pro Prüfungspostion
  • Notenblatt (Papier und elektronisch)
  • Berechungsbeispiel (Papier und elektronisch)
  • (Riesen-)Briefumschlag (adressiert, frankiert) für die Rücksendung
  • Und alles, alles mit Kandidatennamen und -nummern versehen. Es gibt sie noch, die Endlosetiketten und -drucker. Zum Glück.

    Hoher Besuch

    Heute war der Erziehungsdirektor bei uns zu Besuch und meine Erleichterung ist gross. Einige Mitlesende können es sich vorstellen, anderen ist es vielleicht fremd: Aber wenn der ChefChefChefChef einen Schulbesuch macht und 10-15 Minuten mit Azubis, bzw. Schülerinnen und Schülern aus einer einzigen Klasse reden will, kann das sehr unterschiedlich herauskommen.
    Das Verhalten der angehenden Fachleute Kundendialog war (ab Auftritt der Delegation von der Erziehungsdirektion) tadellos. Die Azubis antworteten auf die Fragen des Erziehungsdirektors, des Generalsekretärs und des Berfusschulinspektors ernsthaft und doch mit Charme. Dabei waren die Fragen für Lernende des ersten Lehrjahres (die noch dazu einen brandneuen Beruf lernen) überhaupt nicht so einfach. Er fragte zum Beispiel nach den Perspektiven für den Beruf (naheligend) und nach Niveau und Abgrenzung in den spezifischen Bereichen der Auftraggeber (zeugt von Interesse und Aufmerksamkeit).
    Letzters ist im Contact Center ziemlich kompliziert. Also eine sog. Call-Agent nimmt oft im Namen verschiedenster Firmen Telefonate entgegen oder hat innerhalb der gleichen Firma unterschiedliche Rollen. Es kann also sein, dass er eine Tiefkühltruhengarantie und danach eine Flugticketannullation, dann einen Anruf auf die Hotline einer Versicherung und gleich darauf eine Bestellung für die Sommerkollektion bearbeitet. Dazu braucht er Unterstützngssysteme (Display mit genauen Anweisungen z.B.) aber auch einen klaren Kopf. Und bei vielen Themen (wie bei Hotlines) vertieftes Fachwissen. Das alles haben die Azubis sehr gut und beispielhaft erklärt.
    Am Ende fragte der begleitende Berufsschulinspektor die Lernenden noch nach der Schule. Sie antworteten, es sei alles in Ordnung hier und sie hätten „engagierte Lehrer“, einer davon ganz besonders, er hätte nämlich bei der Steuererklärung geholfen. Und das Schöne an dieser kommunikativen Klasse, die das Herz auf der Zunge trägt, ist ja: Man kann ihnen glauben.

    Zurückgespielte Bälle?

    Die Anlässe der letzten Woche sind gut verlaufen. Besonders der von „meiner“ neuen Abteilung Kundendialog am vergangenen Mittwoch. Ich hatte unerwartet viel Redezeit in einem Film, den die Lernenden vor einger Zeit (überfallsmässig) von mir gemacht hatten und nun den Berufsbildnern zeigten. Ich hatte die Aufnahme noch nie gesehen und es war so peinlich, wie solches Sachen halt immer sind. Aber was ich auf die Fragen der Lernenden geantwortet habe, war in Orndnung.
    Und die Lehrfirmen gaben viele positive Rückmeldungen zum alltäglichen Schulbetrieb. Diese guten Feedbacks vor allem aus Zürich haben mich sehr gefreut. Die Zürcher Arbeitgeber nehmen Bern sonst eher als träge Beamtenstadt denn als innovativen Partner wahr, mit Vorschusslorbeeren ist weniger zu rechnen. Da in der Startphase alle Lernenden einen gemeinsamen Schulort (nämlich Bern) haben, arbeiten sie erstemals mit uns zusammen.
    Vielleicht ist die Kehrseite unserer Trägheit auch eine gewisse Beständigkeit. Eine Firma mit zahlreichen Lehrstellen in Zürich und Ostschweiz hat sich explizit bedankt dafür, dass wir im disziplinarischen Bereich beharrlicher seien, die erzieherischen Aufgaben konsequenter wahrnähmen. Und dass wir den Lehrfirmen den Ball nicht ständig zurückgäben. Das ist ein schönes Kompliment, andererseits gibt es mir auch zu denken. Warum sollten wir Bälle zurückgeben?
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    Bekenntnisse

    Zum Schulanfang haben wir „Bekenntnisse: Was ich mag – was ich nicht mag“ von den neuen Azubis eingeholt. Umgekehrt wollten die Azubis auch welche von uns Lehrerinnen und Lehrern haben. Diese Bekenntnisse bleiben dann während des ersten Semesters im Gang aufgehängt. Sie führten wirklich zu vielen Gesprächen, zu lustigen, persönlichen und ernsthaften, jedenfalls unter den Lernenden. Als ich meine Bekenntnisse vor einem halben Jahr schrieb, habe ich (nur für mich) die Stichworte gelb markiert, von denen ich dachte, dass sie in irgendeiner Form kommentiert würden. Nun habe ich pink angestrichen, worauf ich auch wirklich angesprochen worden bin. Die Übereinstimmung ist mit 2% spärlich:
    Bekenntnisse

    Good News

    Heute war die Expertenschulung für die erste Prüfung nach der Reform. Ich war Referntin und gehörte zu den Dienstältesten. Ob sich wohl jemand der heute hier Mitlesenden noch daran erinnert? Nun ist also der letzte Teil der Planung getan, wir konnten viele neue, junge Expertinnen und Experten gewinnen. Damit haben wir ein Ziel erreicht, das mir fast das grösste Anliegen war. (Berufe mit verhältnismässig vielen älteren Prüfungsexpertinnen und -experten können junge Menschen nicht dauerhaft ansprechen, hochgelobte Erfahrung hin oder her. Ich jedenfalls freue mich darauf, meinen Chefexpertinnenposten weiter zu geben.)
    Anfang Februar hat eine unserer Azubis ihr Kind bekommen, genau in der Hälfte der Lehrzeit. Alles klar und wunderbar, alle gesund und munter, ihre Auszeit während der Lehrzeit ist gütlich geregelt. Darüber bin ich froh. Ich muss aber auch sagen, dass Schwangerschaften an der Abteilung Buchhandel noch nie ein grosses Drama waren, obwohl es regelmässig vorkommt, dass eine Lernende deswegen die Lehre kurz oder länger unterbricht.
    Dank meiner fleissigen und Buch-affinen Familie ist die erste Bücherwand fertig eingeräumt. Mit Ordnungssystem rein nach Farbe. Auch blaue Taschenbücher von Max Frisch stehen nicht nebeneinander, wenn’s nicht das gleiche Blau ist. Gefällt mir gut so.
    Bücherwand in der neuen Wohnung