Gefragt zu werden

finde ich eine gute Sache. Aber offenbar gelingt es mir nicht mehr, das zu vermitteln. Jedenfalls entschuldigen sich die meisten dafür, dass sie mich etwas fragen, und das ist blöd. Ich nehme an, dass es damit zu tun hat, dass ich mich recht konsequent zur Wehr gesetzt hatte. Allerdings nur in zwei Fällen:

  • Ich bin keine Suchmaschine. Ich erlaube mir inzwischen, die, die meine E-Mailadresse damit verwechseln darauf aufmerksam zu machen, indem ich URLs versende oder die Frage einen Moment ruhen lasse in der Annahme, dass doch noch eine Website konsultiert werde.
  • In meinen Unterrichtsstunden bin ich Lehrerin. Ich beantworte Fragen zu meinem Fach. Alles andere gehört in meinen Bürobereich.
  • Aber sonst? Ich antworte schnell und – gemäss zig Umfrageergebnissen – klar und verständlich. Ich antworte crossmedial: mündlich sowieso, auf SMS, auf Mails, auf Nachrichten via Social Networks (ausser Facebook), auf Fragen in Foren und Bemerkungen in Kommentaren, auf Zettel. Das fördert das Erreichen der Lehr- und Lernziele und gehört zu meinem Job, den ich sehr gern mache.
    Anfrage aus meinem Bürobriefkasten - einige Jahre alt

    Gigant ohne Geist

    Eigentlich wollte ich heute Nacht die Debatte nachlesen, die die ZEIT-Community mit einem der Autoren des ausgezeichneten Artikels Gigant ohne Geist am 31.8. hätte führen können. Oder geführt hat. Leider finde ich sie nicht (zu müd oder beschränkt). Deshalb empfehle ich einfach das Original von Maximilian Probst und Kilian Trotier zur Lektüre – halt ohne Diskussion. Eine rundum gelungene Arbeit: Gute Recherche, frische Fakten, zusammengezogen aber nicht reduziert. Und die Prognosen kommen IMHO hin.
    Bald machen wir in der Schule einen richtig aktuellen E-Book-Workshop, mit supergut informierten Leuten, neuen Gertäten und und viel gesammelten Konsumenten-Inputs, an denen es ja nie mangelt. (Das meine ich nicht etwa ironisch, ich finde, dass man sich gemessen am Interesse und den Emotionen der Kundschaft den Buchhandel als glückliche Branche vorstellen muss.) Wir testen also bald die neuste Generation E-Reader, indem wir Accounts eröffnen, Downloads machen und die Anwenderfreundlichkeit und Qualität vergleichen.
    Obwohl auf dem besten Weg zur Fatalistin in Buch-Belangen, vermag ich mich auf derlei immer zu freuen.

    Volles und Feines

    Im Moment ist mein Programm übervoll und ausnahmsweise ist es leicht, die Schuld dafür auf andere (ja, sogar die Software, die nicht funktioniert!) zu schieben. Denn ein bisschen aufpassen muss man ja dieser Tage schon: Wer Stress hat, seine Freundschaften nicht pflegt, unsportlich ist, keine neuen Geschmäcker degustiert und darüber hinaus sonst noch etwas Kreatives macht oder sich mindestens einfach entspannt, ist selber schuld, denn er hat es in der Hand. Und weil das wohl meistens stimmt, geniesse ich diesen raren Moment der Unschuld.
    Auch im Wochenrückblick war der Start dieser Truppe an unserer Schule mein Highlight der Woche. Das Rückfutter der Teilnehmerinnen und des Teilnehmers hat mich sehr gefreut.
    BAM Hintergrund 2012
    An der BAM
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    Branchengefühle

    Manchmal muss ich schon viel guten Willen aufbringen für meine Branche. Wenn für irgendetwas Neues die fachliche Kompetenz fehlt zum Beispiel. „Ok, dann schreiben wir das doch in die Lernziele,“ sagt sich dann der geneigte Buchhandel. Das mag zielführend scheinen. Wenn Fleischer merken, dass sich Schwein schlecht absetzt, dann entscheiden sie, ihren Lehrlingen die Schlachtung von Schafen beizubringen. Vielleicht lassen einzelne die Schweinezucht ganz bleiben und lernen und lehren „halal“. Aber „halal“ ist nichts Neues, das können einem viele beibringen. Doch wenn man – wie ich – Referenten für das suchen muss, was noch niemand kann, ist das gelinde gesagt unangenehm. Man schwindelt und erfindet und hält den Daumen in die Luft. Die Suche nach Leuten, die bereit sind, das Neuste im Buchhandel zu unterrichten – das gehört zu den schwierigsten Akquisen meiner Laufbahn.
    Dann wieder muss ich einfach lachen über den Buchhandel. Zum Beispiel die Überschrift in der Branchenpresse zur Umsatztalfahrt, an der der stationäre Buchhandel nochmal viel mehr leidet: „Im Juni, im Juni geht’s weiter nach uni“ (will heissen: Im Juni geht’s weiter nach unten). (Diesen Sommer brauchte ich im Freibad oder auf der Restaurantterrasse gar nicht mehr nach bekannten Gesichtern Ausschau zu halten. Die, die kein Gerät, sondern einen Zeitung oder ein Buch in Händen halten, gehören eigentlich immer zu meinem Bekanntenkreis.)
    Und zuletzt bin ich stolz auf die Buchbranche. Ich weiss nicht wie, aber sie schafft es immer wieder originelle, witzige, tüchtige und interessiete Menschen zu finden, die unseren Beruf lernen. Wir diplomieren jedes Jahr junge Leute, die auch in einer Bank, an der Uni oder einer Kunstschule reüssiert hätten. Zum Thema: Die Fotos unserer Abschlussfeier.

    Rückblickend

    … waren die letzten 10 Tagen gute. Aber die Zweiflerin weiss das nicht im Voraus und deshalb waren sie auch von einer ganzen Reihe Sorgen geprägt.
    Freitag, 29. Juni 2012: Abteilungskonferenz Kundendialog, Weiterbildung im Kontaktcenter des TCS. Sehr aufschlussreich, ganz besonders das Mithören bei den Telefongesprächen: Menschen mit Autopannen, Mutationsmeldungen und Versicherungsanliegen – mal genervt, mal gesprächig, mal gestresst. Und immer empfangen von einem ruhigen, effizienten, freundlichen Agenten, dem keiner anmerkte, dass es sein hunderster Anruf war. Es war heiss an dem Tag, ab 30 Grad gibt es offenbar mehr Motorschäden und braucht mehr Personal im Callcenter. N.B.: Die neue Ausbildung zur Fachfrau und zum Fachmann Kundendialog kriegt im September den Enterprize, was mich nach all den Steinen im Weg verblüfft, aber natürlich auch freut und ehrt.
    Samstag, 30. Juni 2012: Nacharbeiten, da am Vortag ausser Hause.
    Sonntag, 1. Juli 2012: Dito. Und Packen mit Kind für Sport-Projektwoche mit Zelt in Tenero. (Mir schleierhaft, aufgrund wessen das Tessin als Sonnenstube gilt. Deshalb alles unternommen, um kompaktes Gepäck, Nylon-Garderobe und Flipflops anzudrehen).
    Montag, 2. Juli 2012: Unterrichten, Sitzungen, unterrichten, Büroarbieten für die Abtelung Buchhandel. Urkunden erstellen, die Notenausweise ordnen, Absprache mit den engagierten Klassenlehrpersonen über den Ablauf der Feier, letzte giftigen E-Mails zu Prüfung, den Prüfungsterminen, Terminen zur Eröffnung der Prüfungsresultate beantworten und abends definitiv entscheiden, was anziehen.
    Dienstag, 3. Juli 2012: Büroarbeiten, Kurzschluss mit Operatrice und mit der Floristin, letzte Kontrolle der eingegangenen Spenden. Dann Sportklamotten anziehen und mit Kolleginnen und Kollegen und Kisten mit allem, was zur Diplomfeier gehört ab zum Feierort. Dort einrichten, dann umziehen, Autor begrüssen (Arno Camenisch war nicht nur ein ausgezeichneter Vorleser, sondern auch ein ausgesprochen angenehmer, unkomplizierter Gast), Buchhändler empfangen, reden, applaudieren, gratulieren, beschenkt werden, sich freuen und danken, denn: In der Buchbranche und im Kollegium fliesst so viel Herzblut in diese Ausbildung. Dank ist das Mindeste und allzuoft das Einzige, was ich zurückgeben kann.

    Mittwoch, 4. Juli 2012:
    Meldung über die besten Resultate der neuen Buchhändlerinnen und Buchhändler an die Fachpresse, Fotos natürlich auch. Pics und Legende für Website erstellen (Upload ist bald). Nachmittags dann Zusammenarbeit mit unserer KV-Praktikantin, Vorbereitung für ihre Prüfung kommende Woche. (Thema: Dienstleistungen, Beschreibung des Kundennutzens, Zielpublikum. War müde, aber habe selbst eine Menge gelernt dabei, z.B. welche Dienstleitungen wir uns schenken könnten und welche wir herumerzählen sollten.) Abends Erholung trotz Hochwasseralarm: Geburtstagsessen mit meiner Mutter im Restaurant.
    Donnerstag, 5. Juli 2012: Büro, Telefonnotizen abarbeiten, Post abtragen, letzte Informationen und Kopien für meine Freitags-Klassen.
    Freitag, 6. Juli 2012: Unterricht, Abschied meiner Klassen im zweiten Lehrjahr, mein Fach gibt’s nicht mehr im dritten Lehrjahr. Es war so schön! Die haben dran gedacht, was ja nicht selbstverständlich ist (ausser am Ende der Ausbildung). Von einer Klasse habe ich eine (selbst gemalte!) Karte bekommen und ein Kinderbuch über die Bedeutung und Bedeutsamkeit der Wörter. Was für eine Überraschung! Danach ein tolles Referat gerade wieder zum Thema Bilderbuch von Mladen Jandrlic – meiner Meinung nach einer der Besten auf dem Gebiet.
    Samstag, 7. Juli 2012: Here we are, das Schuljahr ist Geschichte. Heute viel gewaschen (Hinterlassenschaft des tessiner Monsuns) und viel ausgeruht. Nur noch wenige Tage – dann beginnen meine analogen Ferien.

    Prüfungsanachronismen

    Wir sind fast fertig mit Korrgieren und ich finde es jedes Jahr beeindruckend, die Büros voller Boxenstapel mit erledigten Prüfungen zu sehen. In unserer Schule wurden in den letzten Wochen Tausende von Prüfungen geschrieben und korrigiert und in der Summe steckt enorm viel Arbeit dahinter. Blut selten (höchstens, wenn sich jemand am Papier schneidet), aber Schweiss und Tränen immer!
    All die viele Handarbeit für Kandidatinnen, Lehrer und Expertinnen hat auch etwas Anachronistisches. Meistens müssen die Prüfungskandidaten noch von Hand schreiben, selbst wenn das im Arbeitsleben in den Berufen, die wir lehren, keine wichtige Kompetenz mehr ist. Die, die korrigieren, tun das ebenfalls von Hand und in der Folge ist auch die Eingabe der Ergebnisse im Sekretariat manuell. Und alles wird sicherheitshalber immer zweimal gemacht.
    Wie froh können wir da um Reformen sein! Viele Neuerungen zielen darauf ab, die Anzahl Prüfungen oder die Prüfungsdauer zu reduzieren. Prüfungen sind nicht immer nötig, deren Resultate nicht immer wahrhaftig und – wägt man Kosten und Nutzen ab – in einigen Fällen von zweifelhaftem Wert. Mag sein, dass eine Reduktion der Anzahl Prüfungen den einen oder anderen Lehrabschluss ein wenig erleichtert, was natürlich einige stört. Aber eigentlich war es schon immer viel wichtiger, sich in seinem beruflichen Umfeld zu bewähren, als zu jeder Handlungskompetenz zwei oder gar drei Prüfungen zu bestehen.
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    Gastfreundschaftliches

    Erstes Nachtessen auf der neuen Terrasse
    Das war ein lustiges, gastfreundschaftliches Wochenende. Am Freitagabend waren wir am ehemaligen Wohnort – auf dem Dach des Wohnblocks – zur Gurkensuppe mit Dill, zum geschmorten Hühnerbein und zum Kaffeemousse eingeladen. Ein schönes erstes Ma(h)l in der alten Heimat.
    Am Samstag dann weihnten wir unsere Terrasse ein mit Grill, karierter Tischdecke und ebensolchen Kissen. Wir genossen den ersten Hinech mit genügend Zeit und Wärme, um draussen zu sitzen und bis in die Nacht hinein zu reden. Von der Resisdance merkten wir nichts, das Kind hatte sich kurzfristig gegen die Teilnahme entschieden, nur selten hörten wir die Ambulanz. So ein gemütlicher Abend ist weissgott ein Privileg.
    Heute dann wieder Regen. Den Tour-d’Europe-Käsekuchen (Verarbeitung diverser Reiseüberbleibsel) assen wir zusammen mit Nachwuchs und Kumpel drinnen. Wir unterhielten uns lange darüber, weshalb die männliche Jungend am Wochenende derart häufig und vor allem viel trinkt (offenbar auch Hauptzweck der gestrigen Demo). Da ich aus den Erklärungen nie schlauer werde, war ich froh um den Themenwechsel zur Chemie, immerhin geht’s hier um eine Maturanote.
    Und ach ja! Ich habe noch meinen Stundenplan fürs nächste Schuljahr erhalten: Erste und letzte Stunde am Montag, erste und letzte Stunde am Freitag. (Kommentar des Mannes: „Lehrerhölle! Was hast du bloss getan?“)
    Und nun muss ich ins Bett, morgen beginnen die Abschlussprüfungen in der Schule. Es wartet eine Woche mit Aufsichtspflichten, mündlichen Prüfungen, Troubleshooting und Korrekturen. Lasst uns also das entsprechende Nevenkleid überwerfen: Elegant, undurchsichtig und reissfest.